Unser Gottesdienst am letzten Sonntag nach Epihanias zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.
Das Kind in der Krippe
die Gelehrten aus dem Osten
die einem Stern folgen
die Jünger auf dem Berg der Verklärung
Licht der Schöpfung
Licht der Welt:
Die Weihnachtsbilder zeigen nicht
was sich außen abgespielt hat
sondern Verborgenes und Unsichtbares
ausgebreitet vor unser aller Augen.
Über dir geht auf der HERR,
und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Jesaja 60,2
***
GNADE SEI MIT EUCH und Friede von dem, der da ist,
der da war und der da kommt. Amen!
Ich habe gerade wieder diesen guten Rat gehört:
Ich soll, ich sollte, ich brauche
mir kein Bild von Gott zu machen, um es anzubeten oder ihm gar zu dienen. Das erinnert mich an Zweierlei:
Erstens KANN ich mir von der Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes gar kein Bild machen, das auch nur annähern stimmen könnte.
Und zweitens ist es sinnlos, Bilder anzubeten und ihnen mein Leben zu widmen.
Es gibt kein Heil für mich bei oder in einem Bild.
Kein Wunder also, dass das Bilder-Gebot seinen festen Platz im ersten Testament unserer Heiligen Schrift hat. Auch kein Wunder, dass es von da zum Allgemeingut menschlichen Wissens, ja menschlicher Weisheit geworden ist.
Denn auch wenn Katholiken oder Lutheraner es für nicht ganz so wesentlich halten, weil es ja irgendwie schon im ersten Gebot enthalten sei:
Wenn man über dieses Gebot genauer nachdenkt, kann man sich seiner Wichtigkeit kaum entziehen. Denn es ist nicht nur für das Verhältnis zwischen Mensch-Gott, sondern in der Folge auch für das Verhältnis Mensch-Mensch in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen.
Bertold Brecht hat das in einer seiner Kalendergeschichten um Herrn Keuner in ein prickelndes Missverständnis gekleidet:
„Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“
„Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, dass er ihm ähnlich wird.“
„Wer? Der Entwurf?“
„Nein“, sagte Herr K., „der Mensch“.
„Entwurf“ ist hier ein anderes Wort für Bild. Brecht benutzt „Entwurf“, damit Herr K. diese wunderbar doppeldeutige Antwort geben kann: „… dass ER IHM ähnlich wird“. Und genau in dieser Doppeldeutigkeit verbirgt sich ein großes Missverständnis zum Thema Liebe:
Manch einer denkt, einen Menschen zu lieben, und dabei liebt er das Bild, den Entwurf, das oder den er sich von diesem Menschen gemacht hat. Das KANN aber nicht funktionieren. Kein Mensch möchte doch einem Entwurf, also dem Bild eines Anderen ähneln.
Ich möchte leben, lebendig sein. Jeden Tag neue Entscheidungen treffen, meine Marschrichtung prüfen und korrigieren. Niemand soll mich daran zu hindern suchen, Tag für Tag etwas dazu zu lernen. Ja, ich liebe den Adenauer-Spruch: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Denn ich will nicht im Gestern gemalt oder fotografiert oder festgenagelt sein. HEUTE lebe ich. Vielleicht auch noch morgen. Vielleicht.
Also: Kein Mensch will einem Bild ähnlich werden. Im Leben nicht, in der Liebe nicht. Und im Leben mit Gott auch nicht. Also: Vorsicht im Umgang mit Bildern.
Und doch erliege ich immer wieder der Versuchung, Bilder, die ich in mir habe, nicht nur als nette Erinnerung, sondern als Realität zu betrachten.
Besonders, wenn ich etwas erlebe, was mich nicht loslässt. Malerische Landschaften, die ich für einen Moment auf ein Foto bannen oder in meinen Kalender drucken kann, oder bedrohliche Momente, die mir immer wieder vor dem inneren Auge „auftauchen“ und unendlich vieles dazwischen.
Ich kann die Jünger Jesu auf dem Berg der Verklärung gut verstehen: Dass Jesus vor ihren Augen sein Aussehen änderte, dass sie Mose und Elia sahen, als wären sie wieder lebendig geworden, dass aus einer leuchtend hellen Wolke eine Stimme spricht: Diesen Moment werden die Jünger nie vergessen haben, dieses Bild werden wir in unserer Erinnerung bewahren.
Auch von Mose wird im ersten Testament der Bibel so etwas erzählt: Mose hütet Schafe und Ziegen und treibt die Herde von der Steppe hinauf in die Berge. Am Gottesberg Horeb sieht er plötzlich einen brennenden Dornbusch.
Als Mose genauer hinsieht, bemerkte er, dass der Busch zwar in Flammen stand, aber nicht niederbrannte. Unglaublich! Neugierig muss er sich das aus der Nähe ansehen.
Weiter wird erzählt: Gott sieht, dass Mose sich diesem Feuer nähert, und ruft: Komm nicht näher! Zieh deine Schuhe aus, denn du stehst auf heiligem Boden! Ich bin Gott, der Herr, der Gott deiner Vorfahren, Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Mose zieht seine Schuhe aus. Verhüllt sein Gesicht. Er spürt: Dieser Augenblick ist zu groß. Und hört Gott:
Ich habe die Hilfeschreie der Israeliten gehört, ich habe gesehen, wie die Ägypter sie quälen. Darum will ich sie aus der Gewalt der Ägypter befreien und in ein Land bringen lassen, in dem Milch und Honig fließen. Das sollst du machen, Mose! Ich sende dich zum Pharao, denn du sollst mein Volk aus Ägypten herausführen.
Mose bekommt es mit der Angst. ICH soll zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen? Ich? Wer bin ich schon? Gott aber antwortet: Ich stehe dir bei.
Das überzeugt Mose nicht. Wenn ich zu den Israeliten komme und ihnen sage, dass der Gott ihrer Vorfahren mich zu ihnen sendet, werden sie mich nach seinem Namen fragen. Was sage ich dann?
Und Gott antwortet. Mein Name ist: Ich bin der, als der ich mich erweisen werde. Sage den Israeliten: „Ich werde sein, der ich sein WERDE“ hat mich gesandt. Mose erkennt nach langem Zieren und Zaudern, dass er sich dem nicht entziehen kann. Und macht sich schließlich auf den Weg.
Nachlesen solltet ihr das alles in Ruhe zuhause im Buch Exodus, also dem 2. Buch Mose, die Kapitel 3 und 4. Da ist noch manch Spannende mehr zu lesen. Doch jetzt lasst uns noch einmal über diese Gotteserscheinung nachdenken.
Mose geht einer Arbeit als Hirte nach. Wie er als reicher Ägypter an diese Strafarbeit gerät, dazu später. Er zieht umher, sucht nach Weide, die die Herde satt macht. Und dann geschieht das Überraschende. Ein brennender Busch, der nicht verbrennt. Kein „Kuschelbild“, sondern eines mit Dornen. Ein Bild, das er nicht mehr los werden sollte, eines, das selbst wir nach tausenden Jahren noch kennen.
Mose hört aus diesem brennenden Dornbusch seinen Namen. Beim Namen nennen kann mich nur jemand, der genau mich meint. Aber es wird ziemlich heikel, wenn mich jemand mit Namen anspricht, und ich diesen Jemand nicht kenne. Soll er geradeheraus sagen: Ich kenne Sie nicht! Wer sind Sie?
Oder frech wie im Krimi: Wer will das wissen?
Die Antwort des Mose ist ein eher überraschtes: Ja, das bin ich. Hier treffen sich keine guten alten Bekannten. Gott ist für Mose fremd, unsichtbar, unbekannt, rätselhaft.
Doch Gott kennt Mose. Wir wissen: Er hat ihn aus dem Schilf am Nil gerettet, am Hof des Pharao sorgenfrei aufwachsen lassen. Als Mose versuchte, das Schicksal seiner Volksgenossen gewaltsam zu ändern und einen Aufseher erschlug, hielt Gott schützend seine Hand über ihm.
Und jetzt redet dieser wissende Gott mit Mose, der von diesem Gott all das nicht weiß. Mose ist in Ägypten mit ägyptischer Religion groß geworden. Von den Stammes-Vätern Abraham, Isaak und Jakob hat er zwar gehört. Dass diese einen Gott hatten, wusste er auch.
Aber ihre Zeit war lang vorbei, und jetzt weiß Mose nichts von ihrem Gott. So wie viele Menschen heute in unserem Land. Sie wissen, dass ihre Großeltern getauft wurden, dass ihre Vorfahren Kirchen bauten und in der Bibel lasen. Aber in ihrer Lebenswelt kommt Gott nicht vor. In der des Mose auch nicht.
Doch Mose kommt in Gottes Welt vor. Als reicher Ägypter und gerecht denkender Mensch erschlägt er einen Aufseher, der einen Israeliten besonders grausam quält. Nothilfe heißt das heute.
Das macht den reichen Mose nun zum Flüchtling und zum Hirten. Hals über Kopf hat er fliehen müssen, bis er bei seinem Schwiegervater Zuflucht findet. Und hier, in der Stille der Steppe, sieht er diesen Busch, hört er diese Stimme aus dem Busch: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen. Ich will dich zum Pharao senden, damit du das Volk aus Ägypten führst.
Der brennende Busch ist kein Gottes-Bild von einem greise Alten mit langem Bart, der sich auf seinem Wolkenthron gesetzt hätte. Dieser sieht zu, hört zu, leidet mit, er brennt.
Jetzt wird er handeln. Das ist der Gott, der aus Sklaven freie Menschen machen wird. Und Mose soll sich an die Spitze der Befreiungsbewegung setzen.
Dieser Auftrag geht über die Kraft des Mose. Aber Gott sagt zu ihm: Ich werde mit dir sein. Mose wird noch vieles einwenden.
Denn: Kann er diesem Gott trauen? Das ist jetzt die Frage des Mose, das wird später die Frage des Volkes sein. Kann man diesem Gott trauen? In der Fülle anderer Götter, anderer Bekenntnisse, anderer Weltanschauungen?
Wer sagt uns denn, dass unser Glaube der Richtige ist, dass unser Vertrauen nicht enttäuscht werden wird? All das steckt in der Frage des Mose nach Gottes Namen.
JHWH – ein Spiel mit vier Buchstaben. Ein sonderbarer Name, aber auch Buchstaben für ein Verb, ein Versprechen der Tat:
Ich werde sein, der ich sein WERDE.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Bilder begleiten unser Leben von der Geburt bis zum Tod. Wir können uns ihnen nicht entziehen, gerade in der Weihnachtszeit; wir haben sie, wir brauchen sie. Egal, worüber wir nachdenken, egal, worüber wir reden, egal, woran wir glauben: Ohne Bilder geht es nicht, NIE.
Wichtig ist, sich klar zu machen, wozu man seine Bilder nutzt:
Als Erinnerung an einen Moment, von dem aus man weiterdenkt, ODER wie Herr K., als eine Form, ein Entwurf, in die das Gegenüber hinein gepresst wird, bis es sich dem Entwurf angepasst hat.
Die Epiphanie Gottes bei Mose nimmt mit einem Dornbusch seinen Anfang, der brennt, aber nicht verbrennt. Das ist ein starkes Bild in der Erinnerung aller geworden, die nach Gott fragen. Aber dieses Bild Gottes bleibt rätselhaft unscharf, seine Antwort bleibt rätselhaft unscharf, sein Name bleibt rätselhaft unscharf.
Rätselhaft diese vier Konsonanten: J-H-W-H.
Auf Kirchenfenstern, Altären oder Kanzeldeckeln sind diese vier hebräischen Buchstaben zu sehen, Tetragramm genannt, von uns oft „Jachwe“ oder „Jahwe“ ausgesprochen. Ein Name, den viele Juden nicht in den Mund nehmen, sondern stattdessen immer „Adonai“, zu deutsch „Herr“ lesen und sprechen. Denn auch ein Name kann zum Bild werden. Ah, Koopmann, war dein Vater nicht (ihr wisst, was da kommt)…
Doch egal, ob es ein Gemälde vom Mose am nie verbrennenden Dornbusch ist oder diese vier hebräischen Buchstaben oder der weise greise Weltenherrscher auf seinem Thron:
Diese Bilder setzen Geschichten frei.
Sie schaffen, wie es in unserer Abendmahlsliturgie heißt „Gedächtnis“: Nicht bloße Erinnerung, sondern neues Durchleben, ein Erleben heute und jetzt.
Feiern die Juden das Passamahl, gedenken sie nicht einfach der Befreiung ihrer Urahnen vor tausenden Jahren aus der Versklavung in Ägypten, sondern feiern ihre EIGENE Befreiung.
Und so erinnert der brennende Dornbusch nicht nur an einen fernen Tag, an dem Mose dem Gott seiner Väter begegnete, sondern lässt MICH diesem Gott begegnen, seinen Namen buchstabieren, sein Handeln bedenken. Heute und jetzt.
Und so lebe ich mit J H W H, der nicht nur war, sondern auch sein wird, weil er lebendig ist – und kann enden, wie ich begonnen habe:
Gnade sei mit euch und Friede von dem,
der da ist, der da war und der da kommt. (Offb 1,4).
Gottes Name, Gottes Tat
in allen Dimensionen des Raumes und der der Zeit,
der Unendlichkeit und Ewigkeit.
AMEN
EG 664
1. Wir strecken uns nach dir,
in dir wohnt die Lebendigkeit.
Wir trauen uns zu dir,
in dir wohnt die Barmherzigkeit.
Du bist, wie du bist:
Schön sind deine Namen.
Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.
2. Wir öffnen uns vor dir,
in dir wohnt die Wahrhaftigkeit.
Wir freuen uns an dir,
in dir wohnt die Gerechtigkeit.
Du bist, wie du bist:
Schön sind deine Namen.
Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.
3. Wir halten uns bei dir,
in dir wohnt die Beständigkeit.
Wir sehnen uns nach dir,
in dir wohnt die Vollkommenheit.
Du bist, wie du bist:
Schön sind deine Namen.
Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.