Unseren Gottesdienst vom 14. Sonntag nach Trinitatis zum Nachhören finden Sie für vier Wochen hier.
Locus iste a Deo factus est,
inaestimabile sacramentum,
irreprehen sibilis est.
Dieser Ort ist von Gott geschaffen,
ein unschätzbares Geheimnis,
kein Fehl ist an ihm.
(Locus iste, Anton Bruckner)
Alpträume lasten auf meinen Tagen
Krankheit oder Bosheit
Überheblichkeit oder Ratlosigkeit
Feigheit oder Desinteresse
Doch Gott
hält jedem Menschen
als Erbe bereit
das Heil des Lebens
Lobe den HERRN, meine Seele,
und vergiss nicht,
was er dir Gutes getan hat.
Ps 103,2
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EG 7: 1.2.4
1. O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
2. O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.
4. Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.
O Heiland reiß die Himmel auf: Ein Adventslied im Spätsommer? Hatten wir nicht gestern noch Sonne satt und 27 Grad?
Doch mit dem Wetter hat dieses Lied nur wenig zu tun. Denn die Himmel, um die es hier geht, sind Himmel,
die mit Tor und Tür, mit Schloss und Riegel verschlossen sind.
Es sind die Himmel, in denen es den siebenten Himmel gibt,
in denen man auf Wolke Nummer Sieben schweben,
wo man den Himmel auf Erden finden kann.
Es sind die Himmel der himmlischen Chöre, die einem himmlische Musik im Kopf erklingen lassen.
Locus iste a Deo factus est.
Dieser Ort ist von Gott geschaffen.
Es ist nicht der Himmel ÜBER dem Kopf,
sondern es sind die Himmel IM Kopf.
Doch wenn diese Himmel durch Tor und Tür, mit Schloss und Riegel versperrt sind, dann herrscht im Leben Dunkelheit und Kälte, mehr Dunkelheit und Kälte als in Herbst und Winter zusammen. Dann lebt man im Glauben, dass man sein Leben verpasst, verwirkt hat. Dann weiß man nicht mehr, wie es weitergehen kann, weitergehen soll.
Man fühlt sich für das Leben gestorben, und doch muss man am nächsten Tag aufstehen und weiterleben, irgendwie funktionieren.
O Heiland, reiß die Himmel auf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für. O komm, ach komm!
Isaak, der Sohn, auf den Sarah und Abraham ihr ganzes Leben lang warten mussten, fast einhundert Jahre lang: Isaak und sein Halbbruder Ismael haben ihren Vater zu Grabe getragen. 175 Jahre alt soll er geworden sein. Nun aber ist Isaak der, der die Familie Sarahs und Abrahams am Leben erhalten soll und will, doch auch seine Frau Rebekka wird und wird nicht schwanger.
Isaak weiß von seinen Eltern, dass Gott sein Leben in der Hand hat. Daran glaubt er auch. Darum wendet er sich an ihn. Er betet. Die Bibel erzählt uns, dass Rebekka dann schwanger wird. Doch es wird eine schmerzvolle Schwangerschaft, die Zwillinge in ihr setzen ihr hart zu. Aber sie übersteht die Zeit und bringt Esau und Jakob zur Welt.
Für Esau und Jakob ist der Gott ihrer Mütter und Väter nicht wichtig. Esau hält Essen und Trinken für wichtiger im Leben,
Jakob Macht und Besitz.
Esau verhökert Macht und Besitz für ein Linsengericht,
Jakob betrügt seinen Bruder um das Erbe des Erstgeborenen.
Als dieser Betrug auffliegt, schwört Esau Rache: Sobald Vater Isaak unter der Erde liegt, soll auch Jakob, der Betrüger, ihm unter die Erde folgen. Mutter Rebekka hört von dem Schwur und verhilft Jakob zur Flucht.
Mit seinen Herrsch- und Besitzplänen gescheitert, mutterseelenallein, ohne Obdach, auf dem Weg in eine von allen Seiten bedrohte Zukunft kommt die Nacht.
Von ihr erzählt unser Bibeltext für heute, ich lese ihn aus Genesis 28 in der Übersetzung der Zürcher Bibel ab Vers 11:
11 Und er gelangte an einen Ort und blieb dort über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen von den Steinen des Ortes, legte ihn unter seinen Kopf, und an jener Stelle legte er sich schlafen.
12 Da hatte er einen Traum: Sieh, da stand eine Treppe auf der Erde, und ihre Spitze reichte bis an den Himmel. Und sieh, Boten Gottes stiegen auf ihr hinan und herab.
13 Und sieh, der HERR stand vor ihm und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, dir und deinen Nachkommen will ich es geben.
14 Und deine Nachkommen werden sein wie der Staub der Erde, und du wirst dich ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen werden Segen erlangen alle Sippen der Erde.
15 Und sieh, ich bin mit dir und behüte dich, wohin du auch gehst, und ich werde dich in dieses Land zurückbringen. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich getan, was ich dir gesagt habe.
Ein schöner Traum!
Denke ich, als ich das lese.
Dieses Bild von der Treppe, mindestens so breit, dass die Gottesboten an ihr hinunter und herauf gehen können. Vielleicht sogar so breit, dass man sogar auf ihr stehen bleiben und sich unterhalten kann, ohne den anderen Boten im Weg zu sein. Auf Luthers Leiter wäre das nicht gegangen.
Diese Treppe, wörtlich: „Aufschüttung“:
Sie ist eine sichere Verbindung zwischen der Erde und den Himmeln Gottes für seine Boten und solche, die es werden wollen.
Und oben, an ihrer Spitze, wörtlich ihrem Kopf, steht Gott.
Und weil niemand weiß, wie der aussieht, spricht der es deutlich an:
Ich bin der Gott deiner Mütter und Väter.
Jedes Missverstehen ist da ausgeschlossen.
Und Gott sagt: ICH habe die Macht.
Ich habe die Macht, dir zu geben, was du nicht einmal durch List und Betrug bekommen konntest.
Land zum Leben, nicht nur für dich, sondern für ein großes Volk. Land zum Segen, nicht nur für dich, sondern für alle Völker, die Frieden mit deinem Volk suchen.
Ich HABE die Macht.
Ich lasse dich nicht aus den Augen. Wohin du jetzt auch gehst: Hierher werde ich dich zurückbringen. Ich werde dafür sorgen, dass du diesen Ort wieder erreichen wirst: Unbeschadet.
Das kann dauern. Tage, Monate, Jahre.
Aber ich werde es tun, genau das werde ich tun, du wirst es erleben, dass meinen Worten Taten folgen.
Ein schöner Traum!
Denke ich. Was kann einem Menschen in seinem Leben besseres geschenkt werden als das?
Ein Land, mindestens so schön wie Mecklenburg-Vorpommern, an dessen Landesgrenzen ja sogar auf großen Schildern zu lesen ist, dass es das „Land zum Leben“ sei.
Ein Land, mindestens so groß, dass alle Kinder und Kindeskinder mit ihren Kindern und Kindeskindern darin Platz und Heimat finden. Größer als Israel-Palästina.
Ein Land, so gesegnet, dass sein Segen für alle reicht,
die ein Teil von ihm möchten.
Ein Segen, größer ist als der des Vaters Isaak,
der nur für einen der beiden Söhne reichte
und den anderen mit einem Trostsegen leben lassen musste.
Ein schöner Traum, denke ich.
Ich wäre dankbar, mehr als dankbar, wenn ich so träumen würde.
Doch Jakob? Vers 16:
16 Da erwachte Jakob aus seinem Schlaf und sprach: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht.
17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie furchtbar ist diese Stätte! Sie ist nichts Geringeres als das Haus Gottes, und dies ist das Tor des Himmels.
Jakob erwacht, aufgeschreckt, gepeinigt.
Hier oben wohnt Gott, den schon meine Eltern kannten.
Hier oben wohnt Gott, doch ich wusste das nicht.
Wollte das nicht wissen?
Wie auch immer:
Denn wenn das wirklich wahr ist, dass GOTT hier wohnt:
Was habe ICH dann hier zu suchen?
Ich, der Lügner und Betrüger
am Ort dessen, bei dem alle Macht und alles Recht ist!?
Ein schöner Traum für mich, ein Alptraum für den, der in sich nur den Lügner und Betrüger finden kann, für den Gott bisher keine Rolle spielte. Kein Wunder, dass Jakob es mit der Angst bekommt. Kein Wunder, dass er diesen Ort furchtbar findet. Furchtbar für sich und das, wer und was er zu sein glaubt. Wer von Jakob Dankbarkeit für diesen Traum erwartet, erwartet sicher zu viel, ganz sicher sogar.
Ob er jetzt noch einmal einschlafen konnte? Ich stehe ja gleich auf, wenn ich so erschreckt wach geworden bin. Aber ich kann ja auch auf den Lichtschalter drücken.
Den hatte Jakob nicht, auch keine Taschenlampe.
Also musste er wohl oder übel liegen bleiben. Vers 18:
18 Am andern Morgen früh nahm Jakob den Stein, den er unter seinen Kopf gelegt hatte, richtete ihn (als Markstein) als Mazzebe auf und goss Öl darauf.
19 Und er nannte jenen Ort Bet-El.
Jakob weiß, dass dieser Traum ihn nicht in Ruhe lassen wird. Wenn er es bisher noch nicht wusste, jetzt weiß er es:
Hier ist mehr, als er bis jetzt wahrhaben wollte.
Viel mehr. Ein Gott, der von sich gesagt hat,
dass ER alle Macht hat, dass ER bestimmt, was Recht ist.
Jakob weiß auch, dass es zumindest MÖGLICH ist, dass dieser Gott Macht und Recht BEHÄLT. Dass Gott nicht mauert, sondern dass eintreten wird, was er gesagt hat.
Was immer jetzt auch geschieht: Für Jakob wird nichts mehr so sein wie es vorher war. Er wird sich klar darüber werden, ob er mit Gott rechnen muss. An ihn DENKEN wird er aber in jedem Falle müssen.
Also richtet er seinen Kopf-Stein als Mazzébe auf. Ganz ehrlich: Ich weiß nicht einmal genau, wie das im Deutschen richtig betont wird. Die einen betonen die erste, andere die zweite; ich hätte wie im Hebräischen Mazewá betont.
Was ich weiß ist, dass das eine steinerne Stele mit religiöser Bedeutung ohne Inschrift ist.
Also eine sehr handfeste, sehr schwere Markierung
im Kopf des Jakob, sichtbar für alle, die hier vorbei kommen.
Und den Kopf dieses Markierungssteins übergießt er mit Öl. Er salbt ihn, wie man einen König salbt. Jakob macht diesen Stein damit heilig, weil dieser Ort für ihn heilig geworden ist. Eine heilige Erinnerung an seinen großen Irrtum:
Der Himmel ist nicht nur für das Wetter und die Vögel da.
Der Himmel im Kopf gehört Gott.
Und ich wusste es nicht.
Im hebräischen Text ist es wirklich eine Kopfsache:
Viermal taucht die Wurzel dieses Wortes auf. Am Kopfende Jakobs steht der Stein, am Kopfende der Treppe steht Gott, der Stein vom Kopfende wird zum Markstein aufgerichtet, der Stein wird an seinem Kopf zum Heiligtum gesalbt.
Ja: Der Himmel ist nicht nur für das Wetter und die Vögel da.
Der Himmel im Kopf gehört Gott.
Und ich wusste es nicht.
Wird er sich öffnen lassen?
Meine Schwestern, meine Brüder:
Ich weiß nicht, ob es euch besser geht als mir. Aber WENN ich mich an einen Traum erinnere, ist das meist an einen, nach dem hellwach ich aus dem Schlaf hochschrecke, und dann war es ein schlechter Traum. Manchmal sogar ein Alptraum.
Dass ich im Gottesdienst stehe und meine Predigt nicht finden kann, weil ich sie gar nicht geschrieben habe. Oder in einem riesigen, staubigen Schloss herumirre, in dem ich noch nie war und meinen Talar suche.
Einen so schönen Traum aber wie der, von dem hier erzählt wird: So einen habe ich noch nie erinnert. Einer, in dem ich Gott begegnet wäre. Der mir gesagt hätte: Ich bin mit dir und behüte dich, wohin du auch gehst.
Jakob, der Betrüger, ist nun auf dem Weg, um selbst betrogen zu werden. Sieben Jahre wird er Laban dienen, um seine Tochter Rachel zu heiraten, doch in der Hochzeitsnacht wird die andere Tochter Lea durch List an seine Seite gelegt, und für Rachel muss er noch weitere sieben Jahre dienen, und erst Jahre danach versöhnt er sich mit seinem Bruder.
Sein Traum aber wird ihn sein ganzes Leben lang begleitet und ihn erinnert haben: Gott hält seine Himmel für dich offen.
Einen so schönen Traum vom Kopf-Himmel wie Jakob hätten wir wohl alle gern, kraftvoll und eindeutig. Vielleicht hatte ja jemand von Euch schon einen, dann erzählt mir bitte später davon.
Aber eine Mazewá, einen Markstein der Erinnerung, den HABEN wir. Sogar viele. In fast jeder Kirche steht einer. In unserer steht nur noch das, was nach dem Bombenangriff übrig geblieben ist: Der Fuß unseres alten Taufsteins.
Taufsteine sind Stelen für unsere Erinnerung, sie erinnern: Du bist getauft. Gott hat dich bei deinem Namen gerufen, du bist sein. Seine Himmel stehen dir offen, Gott wird bei dir sein und dich niemals verlassen.
Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
werden die Tauferinnerung wach
und den Weg in die Himmel offen halten.
AMEN
EG 7: 5-7
5. O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.
6. Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.
7. Da wollen wir all danken dir,
unserm Erlöser, für und für;
da wollen wir all loben dich
zu aller Zeit und ewiglich.