Johannes 8, Vers 12:
Ein anderes Mal, als Jesus zu den Leuten sprach, sagte er: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht mehr in der Finsternis umherirren, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
LICHT – FINSTERNIS.
Wie sehr ich das Licht brauche, merke ich Jahr für Jahr stärker/ in der dunklen Zeit des Jahres. Wenn die Nächte lang und die Tage kurz sind. Dann liebe ich sie besonders, die leuchtenden Sterne in den Fenstern, Fußgängerzonen und Zimmern.
Dann liebe ich sie besonders, die leuchtenden Kirchen, Türme oder Schlösser, angestrahlt von Scheinwerfern, die die Nacht durchschneiden wie scharfe Messer. Mein schlechtes Gewissen hält sich dabei in Grenzen. Auch wenn das weder ökologisch sinnvoll/ noch gut für viele Tiere ist.
Schon zu Jesu Zeiten leuchtete der Tempel während des Laubhüttenfestes, strahlte über Jerusalem. Und das machte damals sehr viel mehr Mühe als es das heute machen würde. Aber diese Mühe lohnte sich offenbar. Eine Mühe für die Seele.
LICHT – FINSTERNIS.
Wochenlanges Wetter von der Sorte, wie wir es in diesem Jahr zu Heilig Abend erlebten, legt sich mir auf die Seele. Die Sonne scheint zwar an jedem Tag, aber sie scheint über den Wolken, ich sehe sie nicht. Es ist ungesund, in die Sonne zu sehen, wenn sie scheint. Aber noch ungesunder, wenn man gar nicht erst die Möglichkeit dazu bekommt.
Ich will nicht bestreiten, dass auch Dunkelheit ihr Recht hat, zumindest wenn ich schlafen will. Ich will auch nicht bestreiten, dass es sehr gemütlich ist, ein paar Tage um Weihnachten in unserem Haus mitten im schwedischen Wald zu verbringen. Selten, dass dort nicht/ alles dicht mit wirklich weißem Schnee zugedeckt ist. Trockene Kälte und klirrender Frost, selbst mittags. Eiskristalle an Gräsern und Zweigen. Wunderschön anzusehen, wenn die Sonne scheint.
Aber das tut sie genau heute/ bestenfalls bis 14 Uhr. Danach ziehe ich mich am liebsten ins Wohnzimmer zurück und setze das Feuer im Kamin in Gang, zündet alle Kerzen an und suche mir ein gutes Buch.
Ist es bewölkt und ich verlasse nach 17 Uhr das Haus, trete ich ohne Sterne, ohne Mond ein/ in wahrhaft undurchdringliche Nacht. Selbst wenn sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehe ich: Nichts.
Keinen Boden, nicht welche Schuhe ich anhabe, nicht einmal einen Unterschied zwischen Wald und Himmel. Da hilft nicht einmal der Schnee. Das ist etwas, was man zuhause in der Stadt oder in unseren leuchtenden Dörfern nicht mehr kennt: Finsternis. Echte.
LICHT- FINSTERNIS.
Mehr als einfach nur Hell oder Dunkel.
Mehr als einfach nur Warm oder Kalt.
Mehr als einfach nur Wohl oder Unwohl.
Besser: Alles oder Nichts, Leben oder Tod,
Vielleicht trifft es das am besten.
Wenn die längste Nacht des Jahres naht, bringen wir Licht um Licht in unsere Wohnungen. Zuerst am Adventskranz, Sonntag für Sonntag eine Kerze mehr.
Und jetzt, in der dunkelsten Zeit des Jahres, dann ein Kerzenmeer am Weihnachtsbaum. Hochkonjunktur für Lichtgestalten. Maria, Joseph und das Krippenkind mit Heiligenschein. Engel mit weißen Gewändern und leuchtenden Kerzen beim Krippenspiel. In Schweden sogar mit Lichterkränzen auf dem Kopf beim Luciafest.
Sicher: Kein Ersatz für die strahlende Sonne. Aber wenigstens Trostpflaster für die Seele. Engel mögen das ganze Jahr Konjunktur haben, nicht nur in der Versicherungswerbung. Jetzt aber haben sie Hochkonjunktur.
LICHT – FINSTERNIS.
Rose Ausländer: Der Engel in dir
Der Engel in dir/ freut sich über dein Licht/ weint über deine Finsternis/ Aus seinen Flügeln rauschen/ Liebesworte Gedichte Liebkosungen/ Er bewacht deinen Weg/ Lenk deinen Schritt engelwärts
DEIN Licht. DEINE Finsternis.
In dir. In mir.
Keine Sache des Außen. Eine Sache des Innen.
Wer wüsste nicht, wovon ich rede? Wer wollte sie nicht hören: Flügelrauschen, Liebesworte, Gedichte? Wer wollte sie nicht spüren, die Liebkosungen? Wer wollte sie nicht gehen, die Schritte Engelwärts?
LICHT – FINSTERNIS.
Es gibt sie in jedem von uns. Jeder versteht den Unterschied, ohne viel darüber zu reden. Denn das Licht redet nicht, es leuchtet ohne Geräusch, ohne Wort. Es strahlt.
Dieses Strahlen, das Leuchten in das Dunkel hinein, sagt in sich etwas aus. Es verschließt sich niemandem. Worte klären nicht. Denn Licht ist nicht misszuverstehen wie das Wort.
Es bedarf nur eines Blickes der Augen, eines Augenblicks eben – schon hat man verstanden. Und selbst ohne den Blick der Augen spürt man den Unterschied zwischen Licht und Finsternis auf der Haut.
Licht und Finsternis sind Bilder für das Große, das Ganze, das Leben.
Alles, was lebt, hat „das Licht der Welt“ erblickt. Licht ist eines der unabdingbaren Lebensmittel. Garant der Schönheit, unmissverständlich und klar. Darum wird Licht zur Metapher – zur Metapher für Klarheit, Wahrheit, Eindeutigkeit. Es wird zur Quelle der Wärme, die vor dem Erfrieren bewahrt.
Finstere Gestalten – das sind die, mit denen man lieber nichts zu tun haben möchte, weil sie mit verdeckten Karten spielen. Finsternis- Metapher für Undurchschaubarkeit, Lüge. Gewollte Missverständlichkeit. „Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht- doch der Mackie hat ein Messer, und das Messer sieht man nicht.“
Licht wird zur Verkörperung Gottes. Im Licht teilt ER sich uns Menschen mit. Licht ist das erste Schöpfungswerk Gottes, das Grundlebensmittel. Und es strahlt weiter durch die ganze Schrift.
Zum Beispiel in den Psalmen: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“ „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“. „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“.
Oder bei Jesaja: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“
Licht- Gott selbst.
Das Bild des Lichtes wird zum Anspruch an das Leben: „Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“ „So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“
LICHT
Woher aber soll es kommen? Ich meine keines der vielen Trostpflaster. Kein Licht, das Menschen erst machen müssen. Keine Kerzen, die abbrennen. Keine Scheinwerfer, die ganze Kraftwerke brauchen.
All das könnte doch die Sonne nie ersetzen. Und selbst die wird ihren Glanz verlieren und in kosmischer Finsternis vergehen.
Woher also soll es kommen, das wahre Licht? Das die Finsternis besiegt? Jede Finsternis, ein für alle Mal?
Wie kommt Gott in mein Leben, wie berührt er mich? Schützt mich vor dem Fall in Finsternis, bei dem ich mir die Knochen breche, vor dem Erfrieren im ewigen Eis?
Gott hört mich. Gott weiß das. Also kommt er selbst. Als Kind in der Krippe, das die Herzen erwärmt. Als Bruder, der jeden Tag des Lebens begleitet. Als Mensch, der Menschenversagen nicht nur kennt, sondern ans Kreuz trägt. Als brennende Liebe, die sich von keinem noch so dunklen Hass auslöschen lässt.
LICHT
Die WEIHNACHT ist das Ende der Finsternis. Mehr als der leuchtende Tempel zum Laubhüttenfest, mehr als die Kerzen in den Wohnungen. Sie sind nur ein Abglanz.
Jesus ist das Licht der Welt, das auch denen strahlt und die wärmen kann, die fern von diesem Licht zu sein scheinen. Alle Finsternis wird von diesem Licht erhellt werden.
Darum ist er Licht des Lebens. Licht jeden Lebens. Für alle Zeit und darüberhinaus.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Zur Weihnacht kommt uns das Licht des Lebens so nah, dass es näher nicht gehen kann. Und doch blendet uns nicht, sondern lässt alles erstrahlen, so dass wir uns seiner Schönheit erfreuen können. Es verbrennt uns nicht, sondern spendet Wärme, die uns leben lässt. Kein Sonnenbrand, sondern Wohlfühlwärme.
So, wie es nur die Liebe eines Menschen ausstrahlen kann.
Darum wird Gott Mensch, darum spricht er durch den Bruder Jesus: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht mehr in der Finsternis umherirren, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Nachfolge hat so eine große Verheißung, oder besser: Eine große Verlockung. Jesus lockt uns zum Aufbruch, zu Schritten Engelwärts, zum Sein ohne die Fehltritte in Finsternis. Unser Lebensweg wird nicht im Dunkeln enden, sondern im Licht seiner Wahrheit, wenn wir aus Weihnachten leben lernen.
LICHT DER WELT.
Bevor sich Christen mit der Bibel in der Hand den Kopf zerbrechen, dicke Bücher zur Dogmatik schreiben und sich mühsam hindurchlesen, bevor sie Presbyterien arbeiten lassen oder Synoden wählen: Vor all dem lässt Gott es Weihnachten werden.
Licht und Wärme, die menschlicher nicht sein können. Das Kind in der Krippe. Licht zum Anfassen.
Als Erinnerung: Lebensgrüne Bäume voller Schmuck und Kerzen, Geschenke als Beweise gelebter Zuwendung.
Das Fest, an dem wir nicht zuerst hören, sondern sehen/ und erleben können, wie Gottes Licht alle Dunkelheit zerstreut.
Darum stehen wir heute an der Krippe und erblicken das Licht der Welt. Alle Jahre wieder, damit es reicht für alle Zeit und länger.
Dieses Licht, das schöner ist, als all unser Verstand es je begreifen kann, bewahre unsere Herzen und Sinne durch das Kind in der Krippe.
AMEN