Geist hat es schwer in der Welt um uns herum.
Als ich einmal in einer Gruppe Soldaten fragte, was für sie das Wort „Geist“ bedeuten würde, sagte einer: „Geister sind Gespenster. Alle Welt redet von ihnen, aber niemand hat sie bisher wirklich gesehen.“ Man lachte und nickte, niemand wusste es besser.
Einerseits: In dieser Antwort steckt unbestreitbar Wahrheit. Gespenster und Geister sind gleichermaßen unsichtbar. Schwer oder gar nicht zu fassen. Und damit ist auch das Pfingstfest schwer, für manch einen gar nicht zu fassen.
Darum weiß jeder zweite Deutsche nicht einmal ansatzweise, was an Pfingsten gefeiert wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Emnid- Umfrage vor drei Jahren. Immerhin ordnet es die Hälfte der Befragten noch dem Christentum zu. Dabei glauben 16%, dass an Pfingsten Jesus auferstanden sei, 10% setzen das Fest mit Maria Himmelfahrt gleich und 3% ordnen Pfingsten die Kreuzigung Jesu zu.
Selbst gestandene Christen haben es oft schwer mit diesem Tag. Das liegt sicher an dem Bild der „Ausgießung des Heiligen Geistes“. Das ist ja auch viel sperriger als das der Krippe im Stall oder des Kreuzes auf Golgatha oder des leeren Grabes zu Ostern. Selbst Christi Himmelfahrt hat es da noch einfacher. //
Andererseits: Während man die Existenz von Gespenstern ruhig bestreiten darf, umgibt Geist/ einen tagtäglich. So ist in unserer Umgangssprache viel öfter vom Geist die Rede als die meisten es wahrnehmen. Drei Beispiele:
Wenn einer Fremdartiges oder Neues für eine Bedrohung hält, nicht über den Tellerrand hinausschaut und seine kleine Welt als gegeben hinnimmt, bezeichnet man ihn als KLEINGEIST.
„Gar lustig find’s der Leonid, wenn man an seinem Breschnew zieht“ – solche Kalauer ohne wesentlichen Inhalt bezeichnet man als GEISTLOS.
Ein Abend mit Dr. Eckart von Hirschhausens „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben und Glück kommt selten allein“ dagegen strapaziert nicht nur die Lachmuskeln, sondern kann durchaus auch als GEISTVOLL empfunden werden.
Kleingeister, Geistlose und Geistvolle füllen unsere Welt. Jede und jede kennt sie aus eigenem, manchmal auch leidvollem Erleben. Also ist die Pfingstfrage kaum, ob es Geist gibt, sondern: Was SCHAFFT dieser Pfingst- Geist, so dass man einfach von ihm reden MUSS, weil er Menschen BEGEISTERT?
Lukas schreibt in seiner Apostelgeschichte, wir haben es vorhin gehört:
Der Geist schafft es, dass jeder in seiner Muttersprache von den großen Taten Gottes hören kann. Ein schönes Bild. Es heißt ja nicht einfach „Landessprache“, sondern „Muttersprache“.
Das ist für uns nicht einfach nur deutsch. Die Sprache unserer Mutter kannten wir schließlich schon, bevor wir sprechen lernten, ja bevor wir geboren wurden. Da waren nicht nur Worte, sondern Stimmlage, Emotion, Liebe, Geborgenheit. Muttersprache – die braucht jeder für seinen Glauben.
So gesehen sind die vielen verschiedenen Kirchen auf unserer Welt nicht einfach bedauerliche menschliche Fehl-Entwicklungen aus Streit und Unversöhnlichkeit.
Man muss sie vielmehr als Meisterleistung des Geistes sehen: Jeder Mensch kann so die Kirche finden, die seine Muttersprache spricht. Keine Sprachbarriere mehr zwischen Gott und Mensch – die Europäer werden untereinander auf Dauer auf mehr oder weniger sperrige Übersetzungen angewiesen bleiben.
Es geht aber um noch mehr. Wenn man in der eigenen Muttersprache von den großen Taten Gottes erfahren hat, bekommt man den Geist hautnah zu spüren. Er greift in das Leben ein. Paulus schreibt im Römerbrief Kapitel 8 ab Vers 1 voller Begeisterung, ich lese die Lutherübersetzung:
So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.
Keine Verdammnis mehr! Wen hebt das heute noch an? Aber Verdammnis ist nicht einfach nur ein Teil eines mittelalterlichen Gemäldes, das die zukünftigen Qualen im Fegefeuer der Hölle darstellt. Wo ein rotes Wesen mit Hörnern, Pferdefuß und Kuhschwanz für alle bösen Zeitgenossen am Ende ihres Lebens rotglühende Kohlen bereithält und sie ganzkörperröstet.
„Verdammnis“- das ist das Scheitern des Lebens. Das man am letzten Ende nicht geschafft haben wird, was man hätte schaffen müssen, um glücklich zu sein. Dass der Tod kommt, bevor man den Sinn seines Lebens entdeckt und auch erlebt hat.
Viele Menschen versuchen darum, den Tod zu überlisten. Der Tod wird verleugnet oder verklärt, überlistet oder verdrängt. Man versucht, ihn herauszuzögern. Langes Leben wird zum Lebenssinn erklärt.
Sie leben nach dem Motto: Wenn man den Tod nicht ernst nimmt, dann ist auch der Tag nicht ernst zu nehmen, an dem das Scheitern erwiesen sein könnte. Wo kein Richter, da kein Henker.
Aber das Problem wird damit nicht gelöst. Schon, weil die meisten zwar alt werden, aber nicht alt sein wollen. Eingeschränkte Beweglichkeit des Körpers oder gar des Geistes- auf andere Menschen angewiesen, ganz offenkundig hilfsbedürftig zu sein – das ist für viele schreckliche Vorstellung.
Das Scheitern hört eben nicht damit auf, dass man längere Lebenszeit gewinnt. Menschen scheitern vielmehr weiter täglich. Beim Zuhören, beim tatkräftigen Anfassen, beim freundlichen Aussprechen von Wahrheiten. Und bei den Gegenstücken: Beim Reden, Sich-Helfen-Lassen, beim freundlichen Anhören von Wahrheiten. Man scheitert bei dem WIRKLICH Lebenswichtigen: In den Beziehungen.
Zuerst in der Beziehung zu Gott, der uns Menschen doch das Leben und diese Welt gab, auf dass wir glücklich wären.
Dann in der Beziehung zu den Mitmenschen, auf die doch jeder angewiesen ist und bleibt bei seinem Gang durch die Zeit.
Schließlich die Beziehung zum Ich, weil man allein nicht findet, was der eigenen Seele zum Leben fehlt, was man braucht, um die Strecke des eigenen Lebens mit Sinn, Licht und Wärme zu füllen.
Das meint Verdammnis: Das Scheitern von Beziehung. Daran trägt man schwer, weil man versucht, es allein zu tragen und es gerade so auf Kosten anderer trägt. Denn jeder Mensch ist auf gelingende Beziehung angewiesen. Auch mit mir selbst.
Da hilft auch keine aktionsreiche Hilfsbereitschaft: Was soll Hilfe, die ich anbiete, wenn ich sie selbst für mich genau dann ablehne, wenn ich sie am nötigsten habe? Was soll Liebe, die ich angeblich zu geben bereit bin, wenn ich sei mir selbst nicht schenken lassen will?
Verdammnis ist das Gesetz der Sünde: Der Mensch, der sich selbst an den Haaren aus dem Lebenssumpf ziehen will.
Dagegen setzt Paulus das Gesetz des Geistes: Es macht frei. Es befreit zum Tun dessen, was der Beziehung nützt, was das Leben gelingen lässt. So schreibt er kurz später:
11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch WOHNT,/ so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen/ DURCH seinen Geist, der in euch wohnt.
Das wird den Römern Mut gemacht haben. Der Geist Gottes hat ja vermocht, Christus von den Toten zu erwecken. Wenn dieser Geist unter ihnen wirkt: Was sollte ihnen da unmöglich sein? Hier hat die Verdammnis ihren Meister gefunden. Hier wird Leben den Tod nicht fürchten müssen. Nie wieder.
Meine Schwestern, meine Brüder,
Das gilt auch für uns: Der Pfingstgeist lässt Leben gelingen.
Wenn wir den Geist Gottes IN UNS WOHNEN LASSEN, dann wird er uns das Leben schenken. Wir können und wir werden die sein, in denen der Geist Gottes wohnt. DES Geistes Kind sind WIR: Kinder des Pfingstgeistes. Wir können großes schaffen.
Es wird ein wenig so sein wie in der Raumstation: Drei völlig verschiedene Menschen aus verschiedenen Nationen wohnen zusammen- und können sich nicht aus dem Weg gehen. Aus Russland, das sich an der Krim vergreift, aus Amerika, das die ganze Welt abhört, aus Deutschland, das asylsuchende Roma wieder zurück schicken will, weil sie auf dem Balkan ja nicht verfolgt werden.
Vielleicht werden die drei sich ja auch über Politik streiten. Aber sie eint der Geist der Wissenschaft- ihr gemeinsamer Auftrag. Darum werden sie auch eine Sprache finden, sich miteinander zu verständigen. Möglichkeiten, gut miteinander auszukommen. Denn das müssen sie, um erfolgreich zu sein- schließlich sind sie Profis.
Die Kirche vereint weltweit die Profis des Geistes Gottes. Hier sind die, die Sehnsucht nach dem Himmel HINTER Raumschiffen und Raumstationen haben: Nach Gottes Himmel. Hier begeistern sich Menschen für Gott.
Hier herrscht der Geist der Freiheit, die das Ende bedeutet vom Zwang, das eigene Leben selbst und allein leben zu müssen, autark sein zu müssen. Er lässt Menschen Gottes Liebe erfahren und weitergeben.
Hier werden Liebe und Hilfe nicht nur angeboten, sondern auch angenommen. Hier will man nicht nur alt werden, sondern auch alt sein. Hier sind Menschen miteinander und füreinander da, weil sie die Gemeinschaft Gottes sind, die Brot und Wein miteinander teilen und den Hort des Lebens finden.
Hier herrscht der Geist des Friedens Gottes.
Der ist größer, als all unser Denken es zu fassen vermag.
Er bewahrt unsere Leiber uns Seelen durch den Tod zum Leben.
Das begeistert heute und immer. Amen.
Nächster Termin: 15. Juni, 10 Uhr, 14770 Brandenburg a.d. Havel, Ritterstraße 94
Es wäre eine wundervolle Predigt zur Konfirmation auch in Königs Wusterhausen gewesen. Immer wieder schön, Deine Predigt lesen zu können. Wie viel Zeit hast Du für diese Predigt gebraucht?
Ich freu mich auf die Nächste.
Gisela
Liebe Gisela, zehn Stunden sind es immer- offenbar geht es selbst nach einigen Dienstjahren nicht viel schneller bei mir. Diesmal war es etwas mehr, der Schluss wollte nicht so recht gelingen. Mal sehen, was ich in sechs Jahren darüber denke, wenn derselbe Text wieder „dran“ ist.