Kostenlos. Nicht umsonst. (Jes 55 1-3)

Unser Gottesdienst 2. Sonntag nach Dreifaltigkeit zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.

Unterwegs sein
ein ganzes Leben
Neugier
man will sehen
man will gesehen werden
man sehnt sich
nach leichtem Gepäck

Denn wohin wenn man müde wird
wo Station machen
Ankommen
wohlfühlen
zuhause sein
Sehnsucht
nach Heimat

Und Christus spricht:
Kommt her zu mir alle,
die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.
Matthäus 11,28
***

Keine Werbung- bin schon geworben.
Nur ein ordentlich sozialisierter Ossi versteht den Doppelsinn dieses Briefkastenaufklebers schon beim ersten Lesen.

Gemeint ist: Wenn schon der Werber der Staatsicherheit der DDR bei mir auf Granit gebissen hat, brauchst du es mit deinem Krempel gar nicht erst zu versuchen. Das spart dir und mir Zeit, Ärger und – schont außerdem die Umwelt.

Aber ganz ehrlich:
Ich habe diesen Aufkleber nicht mehr am Briefkasten. Denn der eine oder andere Werbeprospekt wandert nicht direkt ins Altpapier. Sonderangebote für mein Lieblingsbier oder Werbung für ein neues Smartphone oder andere hochtechnische Gerätschaften schaffen es auch auf meinen Schreibtisch.

Dann entscheide ich, wo ich in den nächsten Tagen mal wieder einkaufen gehe. Oder ich sehe mir unter der Überschrift „Bedürfnisse wecken“ an, ob ich das angepriesene Stück nicht doch so interessant finde, dass ich es vielleicht kaufen würde.

Eigentlich brauche ich es ja im Augenblick nicht, aber man kann ja nie wissen. Und da will ich ja wenigstens mit meinen Informationen auf der Höhe der Zeit sein.

Sicher geht es manchen ähnlich. Und wenn es nicht um den Informationsstand geht, dann vielleicht um eine Selbst-Belohnung. Man will sich dann und wann etwas gönnen, etwas Gutes tun, auch wenn es unvernünftig ist.

Wenn es im Beruf gerade mal heftig klemmt, die Familie Dauerstress macht oder sonst irgendwas die Seele auf Halbmast hängen lässt. Das kann man zwar meist nicht ändern, aber zumindest ein wenig mildern, wenn man sich etwas kauft, worüber man sich freut.
Wenigstens eine winzige Kleinigkeit.
Zwischendurch-Selbstschenk-Geburtstag.

Wenn man schon sein sauer verdientes Geld immerzu wieder ausgeben muss, auch wenn man das gar nicht will:
Tabaksteuer, Pflegeversicherung, Strafzettel, viel zu teures Benzin, weil zwischen Iran und Israel die Raketen flogen…
Irgendwann will man schließlich auch selbst etwas davon haben. Wenigstens für einen Moment, einen schönen, möglichst langen!

Da ihr alle höflich seid, hoffe ich, dass ihr jetzt nicht den Sender wechselt oder Toilettenpause macht oder alles ins eine Ohr rein und aus dem anderen gleich wieder raus lasst. Denn:
Jetzt kommt WERBUNG.
Oder Reklame, wie immer man es lieber nennt.

1 Auf, ihr Durstigen, alle, kommt zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt, kauft und esst! Ja, kommt, kauft ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und Milch!

Merkwürdig. Das steht nicht auf einem Werbeeinleger im Briefkasten, das hört man nicht auf dem Wochenmarkt neben der Katharinenkirche, sondern hier, im Gottesdienst, aus der Bibel. Das war aus Jesaja 55 Vers 1, so gelesen in der Elberfelder Bibel.

Was haben denn diese Marktschreier-Sprüche hier zu suchen? Gibt es nicht mal mehr in der Kirche einen Raum für die anspruchsvolle Literatur über die letzten Dinge?

Aber natürlich- diese Werbesprüche sind sicher über zweieinhalb tausend Jahre alt, und wenn sie bei Jesaja in unserem Bibeltext für heute stehen, müssen sie einfach etwas mit Gott zu tun haben.

Merkwürdig aber bleibt:
Bei den Begriffen „kein Geld“, „kaufen“ oder „Kaufpreis“ geht es doch um Ökonomie. Gibt es aber eine Ökonomie in der Theologie, eine Ökonomie des Heils?

Ist unser Gott denn wirklich wie ein orientalischer Wasserverkäufer unterwegs, den Wasserbehälter mit klingenden Schellen auf dem Rücken, der mit lautem Werben sein köstliches Nass anpreist?

Unser Text geht ähnlich weiter. Vers 2:
2 Warum wiegt ihr Geld ab für das, was kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht sättigt? Hört doch auf mich, und esst das Gute, und eure Seele labe sich am Fetten!

Eigentlich doch ein schönes Bild. Nicht nur Wasser, auch Brot wird feilgeboten. Für nicht wenige schon der Inbegriff des Genusses, wenn es duftend und frisch vor einem liegt.

Brot und Wasser – Bilder für Grundnahrungsmittel, die dem Menschen das Überleben sichern. Wer Brot hat, wird zumindest nicht verhungern. Wer Wasser hat, wird zumindest nicht verdursten.

Aber das war noch nicht alles. Mit „Milch“ kommt die alte Segensverheißung ins Spiel, ein Land sein eigen nennen und hier leben zu dürfen; in einem Land, in dem dem „Milch und Honig fließen“.

Auch Wein wird es geben, von dem wir wissen, dass er seit Alters her DAS Symbol des Festes ist. Nicht erst seit der Hochzeit von Kana, wo Jesus Wasser zu Wein verwandelte: Dass der „Wein erfreue des Menschen Herz“- so oder ähnlich lesen wir es immer wieder schon im ersten Teil der Bibel.

Also nicht nur die Grundnahrungsmittel werden hier geboten. Auch die Elemente von festlicher Stimmung, ja geradezu des Genusses sind im Angebot: „und eure Seele labe sich am Fetten!“ Egal ob gesättigte oder ungesättigte Fette: Wo sie sind, da ist Geschmack.

Sie sind oft besser als ihr Ruf, und Omega 3 Fettsäuren oder naturbelassene Speiseöle aus Raps oder Olive fehlen in keiner Spitzenküche.

Ja, die SEELE labt sich am Fetten, selbst in der gesunden Küche heute, die Seele genießt. Und auch der Körper kommt ohne das Fette kaum gesund über die Runden. Hier redet also Gott, der nicht nur das Überleben sichert, sondern auch Lebensfreude anbietet.

Und zu welchem Preis? Das alles gibt es kostenlos, ohne Geld, ohne Kaufpreis, ohne Verdienst – nur fürs Hinhören.

Das aber macht die meisten Menschen heute eher skeptisch als euphorisch. Wo es so vieles geschenkt zu geben scheint, ist hinter dem Schein irgendein Haken verborgen. So muss es einfach sein.

Wenn eine Karte gestern im Brandenburger Theater fürs Hinhören und Zuschauen schon über 15 Euro kostete:
Was kann dann wirklich Gutes kommen, wenn es gratis ist? Wir leben doch in einer Welt, in dem niemandem etwas geschenkt wird. Da klingt das alles nach einem faulen Werbetrick.

So, als solle einem eine Kaffeefahrt geschenkt werden, bei der einem dann viele Euro für Heizdecken oder sonstigem Krempel aus der Tasche gezogen werden sollen und einen der Zorn der Veranstalter trifft, wenn man nichts kauft.

Aber dieser Wasserverkäufergott bleibt hartnäckig:
3 Neigt euer Ohr und kommt zu mir! Hört, und eure Seele wird leben! Und ich will einen ewigen Bund mit euch schließen, <getreu> den unverbrüchlichen Gnadenerweisen an David.

Der Ruf „Hört doch auf mich“ (V2) wird lauter. Auch der Einspruch gegen „Warum wiegt ihr Geld ab für das, was kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht sättigt“? wird bekräftigt.

Es geht um mehr als das Überleben, es geht um mehr als Feiern und Luxus. Es geht um Hunger und Durst nach Leben, nicht nach Überleben. Es geht um den SINN dieses Lebens, dieser Existenz auf dieser Erde, dem Sinn des Mensch-Seins überhaupt.

Es geht um die Frage:
Lasse ich mich ein auf diesen „Lockruf Gottes“ – Höret, so werdet ihr leben!?
Oder folge ich der Menschen-Logik materieller Lebenssicherung: Es wird einem im Leben nichts geschenkt. Alles hat seinen Preis?

Jesaja fordert zu dieser Entscheidung auf. Zur Grundentscheidung zwischen dem Lebens-Prinzip der Leistung und dem Geschenk-Lebens-Prinzip Gottes.

Darum geht es letztlich auch bei dem Hinweis Jesajas auf die „unverbrüchlichen Gnadenerweisen an David“: Den kannten damals alle Israeliten; alle wussten, dass David nur der große König wurde und bleiben könnte, weil Gott ihm das Leben schenkte, als David es eigentlich verwirkt hatte.

Und alle hörten: Gott verschenkte dieses Leben nicht nur an David. Er verschenkt es jedem Menschen in einem Ewigen Bund.

Und für uns heute gibt es für dieses Versprechen einen Liebes-Beweis Gottes:
Jesus Christus – aus dem Hause David.
Er steht als Person ein für das Lebens-Geschenk Gottes.
Er sollte uns diese Entscheidung leichter machen.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Leichter. Denn leicht ist sie für viele mitnichten. Sie ist nämlich die Entscheidung zwischen dem steten Drang nach menschlicher Autonomie und der Erkenntnis göttlicher Gerechtigkeit.

Menschliche Autonomie, das Bedürfnis, das eigene Leben, das Leben dieser Welt und diese Erde in die eigene Hand zu bekommen: Wir Menschen sind auf diesem Weg weit gekommen.

Wir sind nicht mehr Jäger und Sammler, sondern Hochtechnologiegesellschaft, die in dem Glauben lebt, irgendwann auch das letzte Rätsel des Lebens entschlüsselt zu haben.

Wir sind nicht mehr Selbstversorger, sondern haben die Tauschhilfe Geld erfunden, die es uns möglich macht, sogar solche merkwürdigen Berufe wie den, den ich habe auszuüben, weil ich auch dafür Geld bekomme, das ich im Supermarkt zumindest gegen Wasser, Brot, Wein und Öl eintauschen kann.

Ja, wir haben es weit gebracht seit den Zeiten der Urmenschen. Wir leben länger, scheinen gesunder zu sein, leben bequemer, können uns freie Tage und sogar freie Wochen leisten, was bei dieser Hitze sehr angenehm ist.

Aber die meisten sehen die Kehrseite dieser menschengemachten Entwicklung nicht:
Das Lebens-Prinzip Leistung hat viele Tag für Tag unbarmherzig im Griff. Nicht nur gestern im Theater.
Wer seine Arbeit geschafft hat, hat nur nicht richtig hingesehen, denn Arbeit ist immer übrig, nie am Ende.

Hier wäre noch etwas, und da ist noch etwas: Zu tun.
Müßiggang ist aller Laster Anfang. Geschenkt wird einem nichts.
Nur wer Leistung bringt, ist etwas wert.

Wer in dieser Formel dann irgendwann auf fremde Hilfe angewiesen ist, empfindet sich als Belastung für die, die ihm helfen, als wertgemindert oder gar wertlos.

Das macht auf Dauer krank:
Menschen „essen“ und konsumieren in einem fort – und werden doch nicht satt. Sie „hören“ viel und jeden Tag Neues, aber kaum etwas dringt so in uns ein, dass sie davon „leben“ könnten.

Die Bibel hingegen verweist von ihrem ersten Wort an auf das Gerechtigkeitsprinzip Gottes: Leben ist Geschenk. Pflanzen, Tiere, Mensch: Nichts lebt, weil es verdient ist, sondern weil Gott es schenkt.

Und was bitte ist dann wertvoller als das, was umsonst, ohne Kaufpreis, ohne sauren Verdienst zu haben ist? Was bitte hätte unsere Sorge mehr verdient als dieses Geschenk, das alle Sorge überflüssig macht, weil Leben bei Gott nicht nur in dieser Zeit, sondern ewig ist?

Zwei Zitate will ich darum an den Schluss meiner Rede stellen. Zum ersten etwas, was Luther zur Auslegung dieser Bibelstelle sagte:

„Die gottlose Welt WILL betrogen werden; was gratis angeboten wird, nimmt sie nicht an, sondern verachtet es, als sei es zu billig.“

Und Arne Garborg, Schriftsteller aus Norwegen, schreibt:
„Kaufen kann man sich:
Essen, aber keinen Appetit;
Arznei, aber keine Gesundheit;
weiche Kissen, aber keinen Schlaf;
Gelehrsamkeit, aber keinen Witz;
Glanz, aber keine Behaglichkeit;
Zerstreuung, aber keine Freude;
Bekannte, aber keine Freundschaft;
Diener, aber keine Freunde;
vergnügliche Tage, aber keinen Frieden.
Die Hülle all dieser Dinge kann man für Geld erlangen,
den Kern aber nicht.“

Ich glaube, diese beiden Zitate illustrieren bestens,
was diese Werbung Jesajas wollte:

Uns herauslocken aus dem Leistungsdenken-
hinein in ein Denken, Reden und Handeln,
das sich einzig in der Treue der Gerechtigkeit Gottes gründet,
die GESCHENK ist.

Dann nämlich finden wir uns zur Rechten Jesu Christi
an der Festtafel Gottes wieder.

Die Liebe Gottes,
die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

laden uns dazu ein.
Kostenlos, aber nicht umsonst.
AMEN

 

EG 399: 1,2,4
1. O Lebensbrünnlein tief und groß,
entsprungen aus des Vaters Schoß,
ein wahrer Gott ohn Ende,
der du dich uns hast offenbart
in unsrer Menschheit, rein und zart,
dein lieb’ Herz zu uns wende.
Denn wie ein Hirsch nach frischer Quell,
so schreit zu dir mein arme Seel
aus dieser Welt Elende.
2. O Lebensbrünnlein, durch dein Wort
hast du dich uns an allem Ort
ergossn mit reichen Gaben,
voll Wahrheit und göttlicher Gnad,
die uns erschienen früh und spat,
das matte Herz zu laben.
O frischer Quell, o Brünnelein,
erquick und lass die Seele mein
in dir das Leben haben.
4. O Lebensbrünnlein, Jesu Christ,
dein Güte unerschöpflich ist,
niemand kann sie ermessen;
darum mir auch nichts mangeln wird,
wenn mich versorgt der treue Hirt,
der mir mein Herz besessen.
Mit seinem Evangelio
macht er mein Herz im Leib so froh,
dass ich sein nicht vergesse.

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