ER ist da (Joh 14,15–19.23b–27)

Unser Pfingstgottesdienst zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.

PFINGSTEN:
Am Geist Gottes „SCHEIDEN sich die Geister“.
Er lässt erkennen, „wes Geistes Kind“ WIR sind,
er bestärkt, er ermutigt, er befestigt uns.

PFINGSTEN:
Die große Gemeinschaft der Heiligen feiert
sie wird begeistert
vom Wort Gottes, dass Herzen entzündet
und das Leben wandelt
in ewiges Leben

Es soll nicht durch Heer oder Kraft,
sondern durch meinen Geist geschehen,
spricht der HERR Zebaoth.
Sacharja 4 Vers 6
***

Pfingsten macht Schlagzeilen. Sieht man in den letzten Tagen in den Blätterwald, bekommt man zu lesen:

„Wir brauchen gerade nichts mehr als ein neues Pfingstwunder“, so Ralf Meister, der leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch Lutherischen Kirche Deutschlands. Meister hofft angesichts der mehr als schleppenden Friedensverhandlungen in Nahost oder der Ukraine oder einem drohenden weltweiten Wirtschaftskrieg auf „jene vermittelnde Kraft, die mächtiger ist als alle trennenden Barrieren“.

Der österreichische katholische Bischof Alois Schwarz lässt sich ähnlich vernehmen: „Die Welt braucht die mit Pfingsten und der Sendung des Heiligen Geistes verbundene Friedensbotschaft mehr denn je“; Pfingsten sei schließlich „das Fest der Initialzündung der Liebe und des Friedens“.

Und die Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ titelt, es sei „Zeit für ein neues Pfingstwunder“ und fragt sich: „Sind wir noch bereit für den feurigen Pfingstgeist? Anfragen an eine Kirche, die zu erkalten droht.“

Sie alle teilen die Sehnsucht nach einem neuen Pfingstwunder. Vorbild dabei ist das Wunder aus der Apostelgeschichte nach Lukas, nachzulesen in Kapitel 2 (Apg 2, 1-41).

Gerade hatten die Jünger durch das Los Matthias als zwölften Jünger für Judas Iskarioth nachbestimmt. Dann, am Pfingsttag, Jerusalem ist voller Menschen, beginnt es mit einem Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm. Mit dem Brausen erscheinen Zungen, „zerteilt und wie von Feuer“, die sich auf die Jünger niederlassen und sie in fremden Sprachen predigen lassen.

Es folgt die Pfingstpredigt des Petrus vor vielen Menschen, die aus aller Herren Länder nach Jerusalem gekommen waren und nun in der eigenen Muttersprache von den großen Taten Gottes hörten. Und schließlich bekehren sich viele und es folgt die Massentaufe von 3000 Menschen.

Was für ein Tag für die junge Christenheit! Der feurige Pfingstgeist bringt Menschen in Massen zum Evangelium von Jesus Christus!

Man kann nun allerdings durchaus die Frage stellen, ob dieser Pfingstgeist bei den Putins oder Trumps dieser Welt jemals irgendeine Rolle spielen wird; und

ob dieser Geist tatsächlich der ist, auf den wir warten müssten, um die Kriege der Drohnen oder der Geldscheine auf dieser Welt zu beenden?

Wie immer man auch diese Frage für sich beantworten wird, bleibt mir für uns eines sicher:
Die Sehnsucht nach einem neuen Pfingstwunder steckt sicher bei jeder und jedem von uns irgendwo in den Knochen.

Denn so, wie wir hier in dieser Kirche sitzen oder stehen, erleben wir doch seit Jahren, nein Jahrzehnten:
Die Kirchen in Europa werden kleiner und kleiner. Unsere Gemeinde macht da keine Ausnahme.

Selbst wenn sich die Zahl der Kirchenaustritte als durchaus überschaubar darstellt: Die Zahl der Zuzüge, Eintritte und Taufen erreicht schon lange nicht mehr die derer, die wegziehen oder die wir beerdigen müssen.

Und Menschen zu finden, die bereit sind, im Presbyterium für die Gemeindeleitung Verantwortung zu übernehmen, wird von Wahl zu Wahl immer schwieriger. Bei nicht wenigen stellt sich schon lange ein dumpfes Gefühl in der Magengegen ein, wenn sie an die Zukunft ihrer Gemeinde denken, die ihnen doch ein Zuhause geworden ist.

Nicht wenige trauern auch, weil der Einfluss der Kirchen in Politik und Gesellschaft schrumpft und immer mehr Menschen meinen, dass Kirche sich grundsätzlich aus der Politik herauszuhalten hätte.

Die Frage nach Gott spielt im Denken vieler naturwissenschaftlich glaubenden Menschen kaum noch eine Rolle; Jesus, Ostern oder auch Pfingsten werden eher belächelt als gefeiert, wenn sie denn überhaupt noch bekannt sind.

Fazit: Viele Frauen und Männer fühlen sich in ihrem Christsein immer mehr einsam, ja manchmal sogar allein gelassen, weil die Welt um sie herum nichts von ihnen und ihrem Glauben wissen will. Das ist nicht leichter zu ertragen als die Situation der Verfolgung, die auch Christen in den Diktaturen des letzten Jahrhunderts erdulden mussten.

Doch gerade diese Situation ist keineswegs neu für Menschen im Gottesvolk. So erleben sie auch im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert Ähnliches. Christinnen und Christen müssen erleben, wie ihnen in der Gemeinschaft der Synagogen, die ihnen Heimat war, der Stuhl vor die Tür gestellt wurde.

Sie müssen damit klar kommen, dass ihr Glaube an den auferstandenen Christus belächelt oder bekämpft wird, dass sie an den Rand der Gesellschaft geschoben werden. Auch sie fühlen sich in ihrem Christsein immer mehr einsam, allein gelassen in dieser Welt.

Gerade für sie sind im Evangelium nach Johannes die Abschiedsreden Jesu aufgeschrieben worden, aus denen auch der Bibeltext für heute stammt. Ich lese aus Kapitel 14 ab Vers 15 in der Übersetzung der Zürcher Bibel. Da spricht der Christus zur Jüngerschaft, die sich vor dem Alleinsein ohne ihn fürchtet:

15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
16 Und ich werde den Vater bitten,
und er wird euch einen anderen zum Fürsprecher geben, der für immer bei euch bleiben soll:
17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht erkennt;
ihr erkennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen,
ich komme zu euch.
19 Eine Weile noch, und die Welt sieht mich nicht mehr,
ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet.
20 An jenem Tag werdet ihr erkennen,
dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.
21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der IST es, der mich liebt.
23 … Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren,
und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und uns bei ihm eine Bleibe schaffen.
24 Wer mich nicht liebt, bewahrt meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht meines, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.
25 Das habe ich euch gesagt, als meine Bleibe noch bei euch war.
26 Der Fürsprecher aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
27 Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!

In die Verunsicherung der nachösterlichen Gemeinde in einer ‚Welt‘, die nicht an Jesus glaubt, die ihn für tot und irrelevant hält und die vom Heiligen Geist nichts wahrnimmt, spricht Jesus vom Fürsprecher, der nun kommen soll. Luther übersetzt mit „Tröster“, man kann das griechische Wort auch mit „Anwalt“ übersetzen.

Damit spricht Jesus von nichts anderem als dem Geist des Pfingsttages, auch wenn es im Johannesevangelium keine eigentliche Pfingstgeschichte gibt. Für Johannes ist die Gabe des Geistes ein Geschehen, dass zu Ostern beginnt. Durch die Gabe dieses Geistes bleibt Christus in der Gemeinde anwesend. Durch die Gabe dieses Geistes wirkt der Christus durch die Zeiten hindurch bis zu Christi Wiederkunft an ihrem Ende.

Dieser Geist wird die Liebe der Gemeinde zu Gott in Christus nie kalt werden lassen. Dass die Liebe Gottes zu seinen Menschen nie aufhört, steht dabei außer Frage – genauso, wie die Liebe der Jüngerschaft zu Gott nicht in Frage steht. So wird es ihnen möglich sein, das Liebesgebot Christi nicht nur zu hören, sondern an ihm festzuhalten (15.23f).

Selbst wenn Jesus gehen wird, wird also der Geist dafür sorgen, dass die Menschen nicht verwaist zurückgelassen werden. Nein, Gott wird weiter bei ihnen, sogar IN ihnen sein. So nah, dass sie den Christus sogar wieder sehen werden können: „…die Welt sieht mich nicht mehr, ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet“ (17).

Und der Geist wird wirken und be-wirken, dass sie Jesus besser und immer besser verstehen lernen. Für Johannes bedeutet das nicht einfach, sich an das Geschehene zu erinnern. Es geht nicht einfach darum zu erinnern, „wie es wirklich war“ oder was Jesus „wörtlich gesagt“ hatte.

Vers 25: „Das habe ich euch gesagt, als meine Bleibe noch bei euch war.“ Gesagt hat den Jüngern das der irdische Jesus. Sie konnten Jesu Worte, sein Handeln, sein Schicksal nicht verstehen, solange er der irdische Jesus, also seine Bleibe noch bei ihnen war.

Der österliche Geist aber wird ihnen eine tiefere Durchdringung, ein Verstehen, ja ein NEU-verstehen möglich machen, sie werden die Wahrheit Gottes in den Heiligen Schriften auf eine Weise erkennen, wie es der Welt nicht möglich ist.

Der Geist selbst ist es, der der Jüngerschaft NACH und DURCH Ostern das Verstehen Jesu eröffnet. Der Geist selbst ist es also, der das Johannesevangelium schreibt.

Und so wird Jesu Osterfest zu ihrem Osterfest. So werden sie Anteil an seinem göttlichen Leben haben und schließlich Bleibe, also Heimat bei Gott selbst finden (23).

Gegen alle Anfechtungen und gegen das dumpfe Gefühl des Alleingelassenseins bekommt die Gemeinde österliche Heilsgaben. Sie bekommt all das, was der Geist Gottes in dieser Welt be-wirken kann:

Ein Leben durch Christus, die Liebe des Vaters und des Sohnes, das Innewohnen Gottes in ihnen, die Erkenntnis Jesu, seines Werkes UND seiner Worte und schließlich ihre dauerhafte und bleibende Wegbegleitung durch den Geist selbst.

Der Christus will seine Gemeinde widerstandsfähig machen gegen all das, was diese Welt ihr zumutet oder je zumuten wird. Er will, dass ihr „Herz nicht erschrecke“, also ihr Glaube nicht erschüttert wird.

All diese Geistesgaben sind es, die für die Gemeinde einen großen Frieden schaffen können. Einen Frieden, der mehr ist als der Friede, den man auch auf dieser Welt finden könnte. Es ist eine tiefe, in Gott selbst liegende Ruhe, die Jesus seiner Gemeinde hinterlässt:

„Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch…, nicht wie die Welt gibt“ (27).

Meine Schwestern, meine Brüder:

So gern wir auch 3000 Taufen an einem Tag erleben,
so gern auch wir Kriege beenden,
so gern wir auch die pfingstlichen Feuerzungen am eigenen Leibe züngeln sehen würden:
Je länger ich Johannes hier lese, desto tiefer glaube ich:
Wir haben es gar nicht nötig, uns ein neues Pfingstwunder zu wünschen.

Der Geist Gottes ist in der Welt, er wirkt in die Welt und ist aus ihr nicht mehr herauszubekommen.

Ich glaube vielmehr, dass Johannes uns sehen lässt,
dass wir mit dem österlichen Pfingstgeist tatsächlich ALLES bereits HABEN, was wir für unser Leben im Glauben und bei Gott
je brauchten, heute brauchen oder künftig brauchen werden.

Wenn wir uns dessen bewusst werden würden,
dass wir alles bereits haben:
Dann, ja dann hätte jede Anfechtung, jedes Gefühl der Verlassenheit unter uns gar keine Chance, über uns Macht zu gewinnen.

Dann würde uns neu bewusst werden, dass Ostern bedeutet: Jesus lebt, und der Geist Gotteswirkt.
Niemand und nichts kann das je ändern oder hindern.

Dann würde uns neu bewusst werden, dass niemand und nichts den Geist Gottes daran hindern kann, Menschen für Gott anzuzünden.

WIR müssen keine Wunder wirken, was den Bestand der Kirchen oder Gemeinden betrifft.
WIR brauchen auch kein NEUES Pfingstwunder,
um Kriege in Frieden
oder Krisen in gedeihliches Miteinander zu wandeln.

Nein, es genügt, Gottes Geist in uns zu spüren.
Es genügt, ihm in uns Raum zu geben
Es genügt, durch ihn in dieser Welt zu wirken.

Wir haben es erlebt und wir werden es erleben:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

werden nie versiegen. Sie allein wirken
diese tiefe Ruhe,
diesen großen Frieden Christi,
der so viel mehr ist als alles,
was diese Welt zu geben vermag,
weil er uns Heimat bei Gott selbst finden lässt.

Das ist sicher. AMEN

 

EG 133: 1.3.13
1. Zieh ein zu deinen Toren,
sei meines Herzens Gast,
der du, da ich geboren,
mich neu geboren hast,
o hochgeliebter Geist
des Vaters und des Sohnes,
mit beiden gleichen Thrones,
mit beiden gleich gepreist.

3. Ich war ein wilder Reben,
du hast mich gut gemacht;
der Tod durchdrang mein Leben,
du hast ihn umgebracht
und in der Tauf erstickt
als wie in einer Flute
mit dessen Tod und Blute,
der uns im Tod erquickt.

13. Richt unser ganzes Leben
allzeit nach deinem Sinn;
und wenn wir’s sollen geben
ins Todes Rachen hin,
wenn’s mit uns hier wird aus,
so hilf uns fröhlich sterben
und nach dem Tod ererben
des ewgen Lebens Haus.

 

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