Pfingsten
Fest des Geistes, der Kirche schafft
die Gemeinschaft der Heiligen feiert
sie ist begeistert
vom Wort Gottes, dass Herzen entzündet
und das Leben wandelt
in ewiges Leben
Es soll nicht durch Heer oder Kraft,
sondern durch meinen Geist geschehen,
spricht der HERR Zebaoth.
Sacharja 4 Vers 6
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„Lass die Leute doch reden!“ – das ist viel leichter gesagt als getan. Denn was Menschen über einen denken und reden, ist nicht egal. Es kann durchaus den Lauf des eigenen Lebens ändern. In positivem als auch in negativem Sinne.
Da wird eine abends im U-Bahneingang Zeugin, wie zwei Männer auf einen dritten einschlagen. Der liegt schon am Boden und rührt sich nicht mehr. Dennoch treffen ihn weiter Fausthiebe und Fußtritte.
Die Zeugin greift ein. Gezielte Schläge treffen jetzt die Angreifer. Die hatten nicht damit gerechnet, einer gut trainierten Kampfsportlerin zu begegnen und ahnen schnell, dass sie jetzt den kürzeren ziehen. Sie ergreifen die Flucht.
Die Zeugin greift nach ihrem Telefon und ruft den Notarzt. Der Überfallene kommt ins Krankenhaus. Seine Verletzungen sind schwer, aber er kommt mit dem Leben davon. Gerade noch so. So wird es am nächsten Tag auch in der Zeitung stehen. Und die Zeugin wird zur Heldin.
Bis dahin war sie eher eine zurückhaltende Zeitgenossin. Jetzt kennt sie fast jeder, der ihr in ihrem Kiez begegnet. Auch ihre Kollegen gehen anders mit ihr um als vor diesem Überfall, selbst Jahre später noch, und ihre Geschichte wird zum Film.
Ganz anders der Film über Harry Wörz. Sein Leben ändert sich am 29. April 1997 in Gräfenhausen bei Pforzheim. Er trifft beim Verlassen seiner Wohnung auf ein großes Polizeiaufgebot und wird sofort festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, die von ihm getrennt lebende Ehefrau, die ebenfalls Polizistin ist, in ihrer Wohnung überfallen und so schwer gewürgt zu haben, dass sie aufgrund von Sauerstoffmangel einen bleibenden Hirnschaden erlitten hat und zum Pflegefall werden wird.
Und Angriffe auf die Polizei versteht die Polizei als Angriff aufs System. Harry Wörz wird dann auch vom Landgericht Karlsruhe wegen versuchten Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt. Weil er auch nach dem Urteilsspruch jede Schuld abstreitet, ist klar, dass er auch keine Aussicht hat, wegen guter Führung vorzeitig entlassen zu werden.
Zwei Jahre später kommt es dann noch zu einem Schadensersatzprozess gegen ihn, den die Familie seiner Ehefrau angestrengt hat. Der Richter am zuständigen Zivilgericht aber äußert erstmals Zweifel an der Schuld von Wörz und weist darum die Klage zurück.
Aufgrund dieses Erfolgs entschließen sich Harry Wörz und sein Anwalt, doch für die Aufhebung der Freiheitsstrafe zu kämpfen. Es beginnt ein jahrelanger Prozessstreit. Gemeinsam kämpfen sich die beiden durch Wiederaufnahmeverfahren und Revisionsverhandlungen bis hin zum Bundesgerichtshof.
Am 6. Oktober 2005, da hat Wörz schon über 8 Jahre Haft hinter sich, wird er „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen. Die fahrlässige Arbeit der ursprünglich ermittelnden Behörden wird festgestellt. Das Gericht lässt aber trotzdem erkennen, dass es Harry Wörz für den Schuldigen hält.
Darum geht die Staatsanwaltschaft nochmals in Revision, hier wird dann selbst dieser Freispruch zweiter Klasse wieder aufgehoben. Erst vier weitere Jahre später stellt ein Gericht unmissverständlich fest, dass er unschuldig ist und nie hätte verurteilt werden dürfen.
Nochmals geht die Staatsanwaltschaft in Revision, sie kann sich doch nicht so geirrt haben! Doch diesmal wird das Urteil auch in der Revision bestätigt. Und nach über 12 (!) Jahren ist Harry Wörz endlich ein freier Mann. Aber von seinem alten Leben ist nur noch ein Häufchen Asche übrig.
Was die Leute sagen, kann zu einer Macht werden. Zu einer Macht, die hebt, oder zu einer Macht, die zerstört. Kein Wunder also, dass es vielen besonders wichtig ist, was die Leute über einen selbst so reden. Manchmal sogar so wichtig, dass es das Leben belastet, obwohl es das gar nicht müsste.
Jesus fragte darum lieber seine Freunde, was sie wissen und denken. Seine Jünger, die ihn begleiteten, sein Leben teilten und auch mit trugen. Ich lese die ersten Verse unseres Predigttextes aus dem Evangelium nach Matthäus Kapitel 16 ab Vers 13:
„13 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?
14 Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.“
Seine Jünger sind gehen gnädig mit Jesus um. Ach, eigentlich sagen sie nur Gutes: In dir ist Johannes der Täufer wiedergekommen oder Elia oder Jeremia. In jedem Falle aber: Einer, der theologisch etwas zu sagen hat. Ein Prophet, über den man redet und den man nicht so schnell vergisst.
Was seine GEGNER über Jesus sagen, darüber reden sie nicht. Vielleicht, weil es sie selbst unglücklich macht, vielleicht, um Jesus nicht unglücklich zu machen. In jedem Falle scheinen sie zu wissen, dass man Negativgerede nicht zu nah an sich heranlassen sollte, weil es einen selbst irgendwann negativ denken lässt.
Da geht Jesus noch einen Schritt weiter und fragt:
„15 … Wer sagt denn ihr, dass ich sei?
16 Da antwortete Simon Petrus und sprach:
Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“
In seltener Einigkeit sehen das alle vier Evangelisten so: Simon Petrus ist der, der mit einem Bekenntnis antwortet. Im Johannesevangelium antwortet er noch etwas ausführlicher: „Du hast Worte, die zum ewigen Leben führen, und wir glauben und haben erkannt, dass du der Heilige bist, den Gott gesandt hat.“ (Joh 6, 68 f)
Starke Worte! Du bist nicht nur ein Prophet, sondern der Sohn des lebendigen Gottes, der Christus, der Heil bringt!
Und Jesus gibt einen ähnlichen Liebesbeweis zurück:
„Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.
19 Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“
Selig bist Du, Simon, weil das, was du da gesagt hast, NICHT das ist, was die Menschen sagen, sondern das was GOTT sagt. Und auch wenn Jesus hier das Wort „Heiliger Geist“ nicht gebraucht: Für jüdische Ohren ist die große Kraft Gottes sein „Ruach“, sein Geist.
Es war der Geist Gottes, der über den Wassern schwebend die Welt aus der Taufe hob (1. Mose 1,2); es ist der Geist Gottes, der Menschen überhaupt erst lebendig macht (Ps 104,30); es ist der Geist Gottes, der Menschen führt und sie zu Gott finden lässt (Jes 63,14).
Und es ist der Geist Gottes, der JETZT und hier den Unterschied macht. Wenn er weht, dann werden Wörter, die aus eines Menschen Mund kommen, zu Gottes Wort: Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!
Und dieses Wort ist Kraft Gottes. Denn wer dieses Wort Gottes hört, bewahrt und zu SEINEM Bekenntnis macht, für den wird unwichtig, was Menschen reden, und EINZIG wichtig, was Gott sagt.
Der wird vom Glauben getragen sein, dass GOTT Herr des Universums ist und nicht die Herren dieser Erde. Der wird zum Fels in der Brandung des Lebens, zum „Petrus“. Dort, wo Menschen wie er bekennen, dass Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist, da ist die Gemeinde Gottes, der selbst die Hölle nichts anhaben kann.
Da ist Kirche, die die Schlüssel zum Himmelreich hat. Die mächtig ist, Menschen das Himmelreich aufzuschließen. Die MACHT hat, Menschen von den Gefangenschaften und Fesseln dieser Welt zu befreien, zu erlösen.
Der Geist macht den Unterschied: Er macht aus Wörtern das Wort Gottes, aus Menschen Kirche, aus der Menschen- Institution Kirche das Tor zum Himmel. Aus Simon den Fels, den Petrus.
Den, den sie die den Verlässlichen, Beharrenden, Gefestigten, Tragenden nennen.
Und? Ist er es im Fortgang des Evangeliums? Er gibt sich so, und er möchte es sein: Er ist der Sorgende und Besorgte, der Jesus vor dem nahenden Unheil bewahren will, koste es was es wolle (16,22). Er will der sein, der zuverlässig ist: Herr, „…wenn sich auch alle an dir ärgern, so will ich doch mich niemals ärgern.“ (26,33). Auf ihn soll man bauen können!
Aber der letzte Akt zeigt es anders: Es ist die Verleugnung im Hof des Hohenpriesters, und gerade bei Matthäus besonders dramatisch. Hier geht es NICHT um so etwas wie ein Sprach- und Hörproblem: „Wovon redet ihr eigentlich? … Ich verstehe gar nicht, was ihr von mir wollt“. Hier geht es schon im zweiten Anlauf um Schwur und Verleugnung und im dritten unter Selbstverfluchung um die ausdrückliche Wiederholung der Verleugnung. Dann kräht der Hahn.
Der sich als Wetterhahn auf vielen Kirchturmspitzen Tag für Tag nach dem Wind dreht. Wie Petrus sich nach dem Wind gedreht hat und jeden Tag neu dreht. Und dieser Hahn aus vergoldetem Blech ruft in die Welt: Auf diesem Petrus baut der Geist Gottes seine Kirche.
Es wird noch einige Zeit brauchen, bis Simon die Reichweite dessen, was da passiert, begriffen hat. Er wird hören müssen, wie die Leute nicht mehr „Hosianna“, sondern „kreuzige ihn“ rufen. Er wird die Kreuzigung nicht verhindern können. Er wird nicht zu denen gehören, die als ERSTE an die Auferstehung glauben.
Aber er wird der sein, der in Jerusalem die Pfingstpredigt hält, wie wir vorhin gehört haben (Apg 2, 14ff). Durch ihn wird der Beweis angetreten: Selbst durch wankende Felsen wie ihn wird der Heilige Geist Macht haben, seine Gemeinde zu bauen und aus einer 12- Jünger- Runde eine Kirche schaffen, die die Welt umspannt.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Unser Predigtabschnitt hilft uns, zu begreifen, was Pfingsten bedeutet. Er kann uns verstehen lehren zu sehen, worauf Kirche sich gründet und worin sie ihre Berechtigung hat.
Was Menschen reden, kann uns das Leben leicht oder schwer machen. Aber der Geist Gottes macht den Unterschied! Er macht aus Menschenwörtern Gottes Wort, macht aus Leben ewiges Leben.
Jesus fragt seine Jünger danach, wer er sei, und die Antwort des Petrus wird zur Geburtsstunde von Christen-Gemeinde. Jesu Frage provoziert die Antwort des Petrus: „Du bist der Christus.“ Und dieses Bekenntnis wird zum Bekenntnis der Kirche.
Kirche ist die Geschichte dieser zweifachen Namengebung. Christus – das bedeutet Retter, Heiland. Petrus – das bedeutet unerschütterlicher Fels, Verlässlichkeit und Halt. Ein zweifaches Bekenntnis als enge, unauflösliche Bindung aneinander. Petrus bekennt sich zu Christus. Christus bekennt sich zu Petrus.
Und der Heilige Geist wird diese enge, unauflösliche Bindung in die Welt tragen. Egal, was die Menschen reden:
ER wird in allen Zeiten der Erde
Milliarden Menschen zu Menschen machen,
die bekennen: „Du bis der Christus!“.
ER schafft unsere Kirche.
Christen sind keine besseren Menschen. Davon kündet der Hahn. Aber wir leben Pfingsten.
Wir leben Kirche, der selbst die Hölle nichts anhaben kann.
Wir werden unauf-löslich an Gott gebunden
er-löst sein von allem, was uns vom Leben trennt.
Denn die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sind die Schlüssel des Himmelreiches.
AMEN