Unseren Gottesdienst Kantate zum Nachhören finden Sie für vierzehn Tage hier.
Zum Erkennen kommt Gefühl
zum Wort der Ton
zur Bewegung der Takt
aus dem Menschen kommt ein Lied
frei, ohne jede Hemmung, ja:
Gott schenkt uns diesen Tag
unsere Tage
alles Glück
das Heil
seine Wunder
Singet dem HERRN ein neues Lied, denn
er tut Wunder.
(Ps 96,1)
***
Habt ihr eben ordentlich mitgesungen?
Es soll ja manchmal nachhaltige Folgen haben, wenn man nicht ordentlich mitsingt. Die Geschichte von Alois belegt das.
Für all die, die die Geschichte nicht kennen,
für die anderen zur Erinnerung:
Es geht um den Dienstmann Nummer 172 am Münchner Hauptbahnhof. Bei uns hätte man ihn vielleicht Gepäckträger genannt. So etwas gab es noch, als meine Oma noch junge Oma war. Sie hat mir mal erzählt, als sie mit der Bahn zu uns auf Besuch kam, dass ihr ein Gepäckträger am Bahnhof beim Koffertragen geholfen hätte…
So ein Gepäckträger-Dienstmann hatte natürlich nicht nur eine Nummer, sondern auch einen Namen. Dienstmann Nummer 172 in München trug den schönen Namen Alois Schlingerl.
Den traf eines Tages mitten bei der Arbeit der Schlag und er starb auf dem Bahnsteig beim Kofferschieben. Gleich zwei Engel trugen ihn dann, heftig mit ihren Flügeln schlagend, in den Himmel. Zwei Engel waren auch nötig, denn Dienstmann 172 hatte zeitlebens gut gegessen und sehr gut getrunken und war darum sicher kaum leichter als ich.
Die himmlische Einlasskontrolle bei Petrus bestand Alois gerade so. Petrus teilte ihm dann mit, dass er jetzt auf den Namen „Engel Aloisius“ zu hören habe und wies ihn auch gleich in die himmlische Hausordnung ein:
Von morgens 8 Uhr bis mittags 12 Uhr „Frohlocken“, von 12 Uhr mittags bis 8 Uhr abends „Hosiannasingen“. Aloisius meinte, sich verhört zu haben, aber Petrus wiederholte ungerührt: Von morgens 8 Uhr bis mittags 12 Uhr „Frohlocken“, von 12 Uhr mittags bis 8 Uhr abends „Hosiannasingen“.
„Aber wann krieg ich denn was zu trinken?“ fragt Engel Aloisius fassungslos. Und Petrus missgestimmt: „Sie werden ihr Manna schon kriegen!“ und lässt ihn stehen.
Das war nun nicht das, was Alois alias Engel Aloisius sich unter dem Himmel vorgestellt hatte. Mürrisch und zu jedwelcher Rempelei gegen ahnungslose Mitengel bereit machte er sich dann keine Freunde auf seiner Wolke, bis er schließlich vor den Allmächtigen zitiert wurde und sich dort zu verantworten hatte, weil er die Himmelsordnung durcheinanderbrachte.
Der Allmächtige beschloss daraufhin:
Den können wir nicht zum Frohlocken und Hosiannasingen gebrauchen. Der bekommt eine andere Aufgabe: Er soll einmal je Woche nach München fliegen und der bayerischen Staatsregierung die göttlichen Eingebungen vorbeibringen.
Dann kann er sein geliebtes München wiedersehen
und der göttliche Befehlstransfair dahin ist auch geregelt.
Gesagt, getan:
Aloisius bekam einen Brief mit ersten göttlichen Eingebungen für die Staatsregierung und flog auf direktem Wege nach München. Doch als er so über den Marienplatz und um die Frauenkirche flog, entdeckte er es:
Sein geliebtes Hofbrauhaus. Und da er vom Manna die Nase gehörig voll hatte, flog er direkt dorthin, ging hinein und setzte sich auf seinen Stammplatz. Seine Stammbedienung freute sich, ihn zu sehen, und brachte ihm gleich eine Maß Bier.
Und da man auf einem Bein nicht stehen kann, noch eine Maß. Und weil alle guten Dinge drei sind, noch eine, und noch eine, und dann noch eine… Und da saß er dann, unser Engel Aloisius, und vergaß alles um sich herum, vor allem seinen göttlichen Auftrag.
Und das Ende der Geschichte: Die Bayerische Staatsregierung wartet auf die göttliche Eingebung – noch heute.
Sicher: Diese Geschichte gehört nicht so sehr in den Bereich „Ernst des Lebens“, sondern eher in das Kabarett. Und doch trifft sie die Lebenswirklichkeit von vielen, wenn nicht gar der meisten Menschen: Singen gehört nicht unbedingt zu den Dingen, die mit Begeisterung betrieben werden. Mitsingen auch nicht.
Und da rede ich nicht nur von Jugendlichen in der Pubertät. Die können auf lautes Singen, auch in der Gruppe oder ganz sicher vor Anderen, meist liebend gern verzichten.
Doch auch viele der Älteren singen nicht gern.
Vielleicht noch unter der Dusche. Oder wenn man wie Engel Aloisius im Gasthaus ein Bier nach dem anderen getrunken hat. Oder „We are the Champions“ im Stadion nach dem Sieg der auserwählten Fußballmannschaft. Oder „Steh auf, wenn Du ein Eiserner bist“, wenn Niederlage oder gar Abstieg drohen.
Doch nüchtern laut singen? Gerade Chöre merken das im Moment, denn sie haben es sehr schwer, Nachwuchs zu finden. Und auch in unseren Gottesdiensten war der Gemeindegesang schon mal eindrucksvoller, vor allem wenn wir an Weihnachten oder Ostern denken.
Im Jahr Fünfhundert des Evangelischen Gesangbuches könnte man also auf die Idee kommen zu fragen, ob das Liedersingen bei uns gerade heute nicht in einer Krise stecke.
Im Bibeltext für heute aus der Offenbarung des Johannes WIRD allerdings gesungen, Johannes schreibt Kap. 15, 2-4:
2 Und ich sah, wie sich ein gläsernes Meer mit Feuer vermengte, und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen
3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes,
und das Lied des Lammes:
Groß und wunderbar sind deine Werke,
Herr, allmächtiger Gott!
Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege,
du König der Völker.
4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten
und deinen Namen nicht preisen?
Denn du allein bist heilig!
Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir,
denn deine Urteile sind offenbar geworden.
Das gläserne Meer – in biblischer Vorstellung trennte Gott die Wasser der Erde von denen des Himmels. 1. Mose 1 ab Vers 6: Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern.7 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so.8 Und Gott nannte die Feste Himmel…
Aus den bedrohlichen himmlischen Fluten, die einst die Sintflut hervorbrachten, ist hier etwas wie eine gläserne Wasserfläche vor dem Thron Gottes geworden. Die Gefahr einer Sintflut ist durch Gottes Versprechen beseitigt. Das obere Meer ist fest geworden und zugleich klar und durchsichtig geblieben.
Von dieser neuen Realität aus leuchtet ein wunderbares Licht wie aus einem wärmenden Feuer auf die deprimierenden Verhältnisse des neutestamentlichen Gottesvolkes. Dessen Leid und Niederlage erscheinen neu und anders in diesem wunderbaren, neuen und warmen Licht. Sie werden von Gott einer grundlegenden Neubewertung unterzogen. Die Verhältnisse dieser Welt werden überwunden.
Denn an diesem, wunderbar rot glänzendem und leuchtenden Meer vor dem Gottesthron haben sich jetzt die Sieger versammelt. Die gegen die Ungeheuer, das das Gottesvolk mit allen Mitteln der Welt bekämpft hatten, kämpften und obsiegten.
Und Johannes sieht, wie sie von Gott himmlische Harfen bekommen und zu einem Lied anstimmen.
Wie nach der wunderbaren Errettung des Volkes Israel aus dem Schilfmeer erklingt nun ein Lied – das „Lied des Mose und das Lied des Lammes“.
Wie das Volk Israel aus Ägypten zieht und durch die zerstörerischen Gewalten des Wassers hindurch kam, so hat auch die neutestamentliche Gemeinde angesichts ihrer Bedränger schlussendlich ihre Rettung erfahren.
Gebannt hört Johannes zu:
Er SIEHT nicht nur, er HÖRT ein altes Lied voller Wahrheit, weil es Wirklichkeit wurde, wird und werden wird. Ein Lobpreis der Werke Gottes, der Wege des Herrn, der Urteile des Allmächtigen: Alle Welt erkennt sie plötzlich, diese einmalige Größe Gottes.
Für Johannes ist das so überwältigend, dass er es nicht für sich behält. Er schreibt es auf – sicher in der Hoffnung, dass die, die es dereinst lesen, davon genauso angesteckt werden wie er selbst es ist.
Meine Schwestern, meine Brüder:
Die deutsche Punk- und Rockband „Die Toten Hosen“ aus Düsseldorf verkaufte von keiner ihrer immerhin 15 Studio- und 8 Livealben so viele wie vom 1996 erschienen Album „Opium fürs Volk“. Eine gute Million Exemplare davon kamen „unter das Volk“.
Nach dem Grund dafür in einem Hörfunkinterview befragt zeigte die Band sich ratlos: Nein, sie wüssten auch nicht genau, was es damit auf sich habe.
Als ich das hörte, dachte ich: Hättet ihr mal mich fragen sollen, ich wüsste schon einen guten Grund. Darauf habt ihr nämlich mal Texte verarbeitet, die nicht die nicht so tun, als seien Party oder die private Idylle zu zweit schon das ganze Glück und das ganze Leben.
Da geht es nämlich, wie es der Albumtitel „Opium fürs Volk“ schon vermuten lässt, wesentlich um die Auseinandersetzung mit anderen Themen. Die „Hosen“ arbeiten sich an Fragen ab, die sie ihrer volkskirchlich-katholisch-scheinliberalen Umgebung stellten. Und auf sie dann auf ihre ganz persönliche, oft scharfe Art beantworteten. Auf „Opium fürs Volk“ findet man all das: Sinn- und Gottsuche, Religionskritik, Politik.
Für mich der einzig nachvollziehbare Grund des guten Verkaufs des Albums, ich habe auch eins davon. Und daraus ergibt sich zugleich auch mein Gradmesser zwischen „alten“ und „neuen“ Liedern.
Wo „alte Lieder“ wie zum Beispiel die von Tony Marschall sich „das Singen nicht verbieten“ lassen, geht es um die immer gleichen Dinge wie Spaß und gute Laune beim Feiern, um private Idylle, um Glück zu zweit.
„Neue Lieder“ dagegen sind für mich solche, die diese immer gleichen, alten Themen dieser Welt aufbrechen. Die zum Beispiel von einer unendlichen, ja überirdischen Liebe singen, gerade nach IHR fragen. Lieder, aus denen so der Widerstand gegen Resignation und Ohnmacht wachsen kann.
So verstehe ich auch die Aufforderung unseres Sonntages Kantate: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ (Ps 96,1). Hier geht es kaum darum, uns das Singen zu befehlen. Denn das kann niemand, zumindest dann nicht, wenn das Singen aus dem Herzen kommen soll.
Es geht um den INHALT unserer Lieder, die die alte Welt in einen neuen Glanz hüllen sollten. Lieder, die von der neuen Welt singen, die eine Welt sein wird, in der Gott das Denken und Fühlen ALLER Menschen bestimmt.
So können neue Lieder sehr wohl auch alte Lieder sein. Sogar sehr alte Lieder wie das Lied „des Mose“ und „des Lammes“ in unserem Bibeltext. Oder beliebte alte Oratorien oder Messen oder Chorwerke von Bach, Händel, Mozart oder Bartholdy.
So müssen neue Lieder nicht nur selbst gesungen, sondern zuerst und vor allem GEHÖRT werden. Beim Zuhören kann man mitfühlen, wenn zu Worten die Emotionen kommen. Man kann sich gefangen nehmen lassen wie Johannes in unserem Text: Der singt ja auch nicht mit sondern versucht, mit dem Schreiben seine Begeisterung auf seine Leserinnen und Leser überspringen zu lassen.
Tatsächlich spricht mir Martin Luther aus dem Herzen, wenn er schreibt: „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes. Sie vertreibt AUCH DEN TEUFEL und macht die Leute fröhlich. Man vergisst dabei allen Zorn und alle anderen Laster. Ich gebe nach der Theologie der Musik die höchste Bedeutung und die höchste Ehre.“
Neue Lieder sind Paradebeispiele für solche Musik, denn sie singen von der Liebe Gottes, der Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Aus ihnen wachsen
Glaube, Liebe und Hoffnung,
die ALLES neu machen können
und eine überwältigende Offenbarung sind.
Vielleicht reißen sie selbst Engel Aloisus
irgendwann von seinem Stuhl…
AMEN
Ein neues Lied, das fast fünfhundert Jahre alt ist:
EG 148: 1.4.8.9
1. Herzlich tut mich erfreuen
die liebe Sommerzeit,
wenn Gott wird schön erneuen
alles zur Ewigkeit.
Den Himmel und die Erde
wird Gott neu schaffen gar,
all Kreatur soll werden
ganz herrlich, schön und klar.
4. Also wird Gott erlösen
uns gar von aller Not,
vom Teufel, allem Bösen,
von Trübsal, Angst und Spott,
von Trauern, Weh und Klagen,
von Krankheit, Schmerz und Leid,
von Schwermut, Sorg und Zagen,
von aller bösen Zeit.
8. Wir werden stets mit Schalle
vor Gottes Stuhl und Thron
mit Freuden singen alle
ein neues Lied gar schön:
»Lob, Ehr, Preis, Kraft und Stärke
Gott Vater und dem Sohn,
des Heilgen Geistes Werke
sei Lob und Dank getan.«
9. Ach Herr, durch deine Güte
führ mich auf rechter Bahn;
Herr Christ, mich wohl behüte,
sonst möcht ich irre gahn.
Halt mich im Glauben feste
in dieser bösen Zeit,
hilf, dass ich mich stets rüste
zur ewgen Hochzeitsfreud.