Ungelegene Kinder: Advent 4 (Luk 1, 26ff)

Ave
sei gegrüßt Maria
dein Sohn ist Gottes Sohn
und nichts wird mehr sein
wie es war

Ave Maria
dein Sohn unser Herr
Sein Advent
ist unsere Zuversicht
weit über alle Sicht der Welt
sein Advent ist Frieden
im Krieg der Welt
sein Advent ist
Recht und Gerechtigkeit
alles ist gut
für die
die sehen können

Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
Der Herr ist nahe!
Philipper 4,4.5b
***

26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!
29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden.
31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
34 Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?
35 Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.
36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.
37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Also ICH werde ihn Neinkob nennen! Neinkob! Dieser Ausruf stammt von meinem Onkel.

Zeitpunkt: Der Tag, an dem sein jüngster Sohn, damals 23 Jahre alt, ihn zum Großvater machte. Peter, der kleinste meiner Cousins, war Vater geworden. Vor seinem älteren Bruder. Mit einer Frau, die er vielleicht einen Monat kannte, als sie schwanger wurde. Neinkob! Der richtige Name des Kindes: Jakob. Aber das habt ihr sicher längst erraten.

Neinkob! Schimpft der Großvater. Denn das Kind kommt ihm ungelegen. Weiß doch der frischgebackene Vater noch nicht einmal genau, welchen Beruf der ergreifen will. Ganz zu schweigen, wovon er eine Familie ernähren soll. Ob die Freundin und Mutter auch die Frau fürs Leben wird. Neinkob- Ausdruck des großelterlichen Protestes angesichts der natürlichen, unbekümmerten Geburt des Erstenkels Jakob.

Es gibt viele Gründe, dass Kinder ungelegen kommen können.
Einige Tage vor Weihnachten denken wir an die Geburten zweier ungelegener Kinder.

Dem Zacharias kommt sein Sohn Johannes ungelegen: Er kommt zu spät. Ein Engel besucht Zacharias. Von ihm erfährt Zacharias von seiner späten Vaterschaft. Und erschrickt. „Woran soll ich das erkennen? Denn ich bin alt, und meine Frau ist betagt.“

Lange sehnten sich beide nach einem Kind. Nun aber war sie erloschen, die Sehnsucht. Und mit ihr war der Glaube daran gestorben, dass Gott sie erhören würde.

Zacharias verschlägt es die Sprache. Sprachlos muss er bleiben, stumm wird er auf eine Tafel schreiben: „Er soll Johannes heißen.“ Ein später Sohn wird zur Freude des Alters. Die Zunge des Alten löst sich wieder – zum Lobe Gottes, zu seinem Glück.

Johannes wird zu spät geboren.
Jesus zu früh.
Nach menschlichen Maßstäben und Erwartungen jedenfalls. So erzählt es Lukas in unserem Predigttext. Willst Du Gott zum Lachen bringen, erzähl ihm, was du planst. Weder Zacharias noch Maria hatten Gott auf ihrer Rechnung.

Alles wird anders, als gedacht:
Johannes, der zu spät geborene, wird Jesus, dem zu früh geborenen, den Weg bereiten. Das aber ist eine Geschichte, über die später geredet werden wird.

Lukas verbindet das persönlichste und intimste im Leben, nämlich die Schwangerschaft einer Frau, mit schwerem theologischem Dogma. Dreierlei lässt er uns entfaltet sehen:
Ein Engel. Eine Frau. Ein Kind.

Erstens:  Ein Engel, er heißt Gabriel. Sein Name bedeutet „Starker Gottes“. Sein Auftrag: Göttliche Mission.

War er es, der Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb?
Der den Eingang des Garten Eden  bewachte, mit flammendem Schwert?
War es Gabriel, der Daniel in der Löwengrube vor dem Tod bewahrte?
War er der Verkündigungsengel der Heiligen Nacht, mit dem die Menge der himmlischen Heerscharen das Lob Gottes sang?

Weihnachten OHNE Engel – das wären Tage ohne Lieder, ein Fest ohne Freude, ein Haus ohne Kinder. Menschen lieben Engel, auch wenn sie für viele Objekte reiner Phantasie bleiben. Und sie den Wächterengel vor dem Paradies längst vergessen haben.

Für sie sind Engel Sinnbilder der Sehnsucht nach Licht in der Dunkelheit, nach Klarheit in der Verwirrung. Engel sind Ausdruck der guten Mächte Gottes.  Viele SPÜREN darum ihr Dasein, können ihre Nähe fühlen. Engel erretten sogar aus Gefahren, werden zu Schutzengeln.

Zu Maria kommt der Engel Gabriel als Bote.
Ihr gilt sein „Ave Maria“: Gegrüßt seist du, Maria, du Begnadete. Zeitpunkt: Im sechsten Monat der Schwangerschaft der greisen Verwandten Elisabeth.

Die junge Frau erschrickt. Nicht über den fremden Mann in ihrem Haus. Wohl aber über dessen Gruß. Sehr feierlich, wegen seiner großen Worte aber eher bedrohlich als fröhlich.
So, als wenn einer zu dir kommt und sagt: Du weißt doch immer so gut Bescheid! Also kannst Du mir jetzt auch sagen… Und dann wird es oft ungemütlich.

Maria, du Begnadete! Wer ist sie denn? Was ist Besonderes an ihr? Gabriel kommt zu Maria, mit einer heiklen Nachricht.
Das junge Mädchen soll Mutter werden, obwohl die Hochzeit noch gar nicht gefeiert ist.

Gabriel kommt zu Maria und macht ihr Mut:  Du hast Gnade bei Gott gefunden.
Wie viele Frauen werden das ganz anders fühlen, wenn sie ihre Schwangerschaft bestätigt finden?

Gabriel kommt zu Maria, überzeugend, glaubwürdig, eindrücklich. So beginnt Maria, ihm zu glauben, dass das Kind nicht nur ihr Kind, sondern Gottes Kind ist. Mehr als dass alle anderen Kinder Gottes Kinder sind.

Sie hört einen nicht außergewöhnlichen Namen, aber dieser der Name ist Programm. Jesus, das heißt: Gott rettet. Der Engel gibt ihr den Namen ihres Kindes mit. VOR der Schwangerschaft.

Ave Maria: Maria erschrickt, aber sie verzagt schließlich nicht. Gabriel sei dank. Er sagt ihr MEHR, als sie fassen kann. Aber WAS sie versteht, ist genug: Vor ihr steht Gabriel, ein Engel.

Erstens ein Engel, zweitens: Eine Frau. Maria.

Noch ist sie das junge Mädchen, noch lange nicht erwachsen. Nach unseren Maßstäben jedenfalls. 14 oder 15 vielleicht. Wie für jedes junge Mädchen damals war auch ihr Weg absehbar. Sie würde verheiratet werden; ihre Eltern waren über den Mann einig. Joseph, den Zimmermann. Ein ordentlicher Junge. Sie würde Kinder bekommen, eines nach dem anderen; immer nach dem Abstillen würde sich das nächste Kind anmelden.

Im Alter würden die Kinder ihre Freude sein, vielleicht würde sie sogar Enkel haben. Urenkel zu erleben war ein seltenes Ereignis; viele Mütter starben schon, bevor sie ihre Kinder großgezogen hatten. Und viele Kinder starben, bevor sie den Eltern eine Stütze werden konnten. Das hatten junge Frauen zu erwarten, überall, auch in Nazareth. Das erwartete auch Maria.

Aber nun kommt Unerwartetes: Maria kommt durch Umstände in Umstände, die sie nicht begreifen kann. Zwei Evangelisten  sprechen darum von der Jungfrauengeburt:Lukas und Matthäus.

Jungfrauengeburt – für viele das unerträgliche Dogma einer biologischen Unmöglichkeit. Für die beiden Evangelisten aber die Möglichkeit, die Unbegreiflichkeit Gottes vor die Augen der Welt zu stellen:  Bei Gott ist möglich, was bei den Menschen unmöglich ist. Bei Gott ist ALLES möglich.

Wer Gott das nicht zutraut, traut Gott das Gottsein nicht zu.
Der degradiert ihn zum niedlichen Säugling im Futtertrog, zum aufrechten Menschen am Römer-Galgen. Zum berechenbaren Faktor im unberechenbaren Leben. Darum wird Maria schwanger, dass Menschen Gottes Gottheit sehen lernen.

Was Maria von Gabriel hört, kann sie nicht fassen, aber auch niemals wieder vergessen. Die Botschaft des Engels ist große Theologie, ist Dogmatik. Nicht lieb, rührend, anrührend, sondern umwerfend, gewaltig.
Sie fragt: Welch ein Gruß ist das? Wer bin ich denn, dass du ausgerechnet zu mir kommst?

Eine Geschichte zum Abgewöhnen sentimentaler Weihnachtsstimmung: Ein überwältigtes Mädchen, ohne den Spielraum, sich zu entziehen. Du, du musst das jetzt tun, eine Wahl bleibt dir nicht!

Ich bin des Herrn Magd.

Und später: Außer Jesus schenkt sie noch vier Jungen und mehreren Mädchen das Leben. Und steht, wahrscheinlich schon Witwe, unter dem Kreuz, an dem ihr Erstgeborener starb.

Erstens ein Engel, zweitens eine Frau, drittens: Ein Kind. Ein Junge mit Namen Jesus.
Maria erschrak schon, als der Engel sie ansprach. Was aber muss sie gefühlt haben, als sie hörte, was Gabriel über ihren ersten Sohn sagte? Ein Sohn des Höchste soll er genannt werden und Davids Thron besteigen. Sein Reich solle kein Ende haben.

Größenwahn oder Gottesbotschaft? Welche Mutter will nicht, dass ihr Kind es einmal gut haben wird – möglichst besser als ihr selbst? Aber diese Mitteilungen des Engels sprengen jeden Rahmen solcher elterlichen Wünsche.  Dieser Sohn kommt als Kind zur Welt wie alle Menschen und ist doch nicht wie alle Menschen. Er ist ein Kind Gottes wie alle Menschen und doch zugleich Gottes Sohn in einem ganz anderen, tieferen Sinn.

Er wird Sohn des Höchsten genannt werden. Das hebt Jesus heraus und macht ihn zu einem ganz anderen. Hier ist mehr als ein großer Denker oder Dichter, mehr als ein Feldherr, mehr als ein Revolutionär.

Hier ist Gott selbst, mitten unter uns Menschen, geboren in einer jüdischen Familie, erzogen von einer einfachen Frau aus dem Volk, gelehrt von bibelkundigen Männern, gehasst von den Mächtigen.

Hier ist Gott selbst, getötet und begraben und doch lebendig bis heute. Nazareth in Galiläa – wer kommt schon aus Galiläa?

Weihnacht in drei Worten. Drei Worte, die Unfassbares sprechen. Jesus ist Gott.

Ein Engel, eine Frau, ein Kind.
Ave Maria.

Ave Maria.
Aus dem Gruß Gabriels wird ein Gebet der Christen.
Aus dem Gruß Gabriels werden Orgelstücke, Lieder, Oratorien. (Drei davon werden wir in diesem Gottesdienst gehört haben.)

Ave Maria- DEIN KIND wird geboren sein.
Gott wird Mensch sein.
Das Geheimnis dieser Nacht.
Weihnachten wird gefeiert.
Wie ein Magnet zieht das die Menschen an.
Für immer.

Ein Engel, eine Frau, ein Kind:
Die Vision Gottes nimmt Gestalt an.
Wenige Tage vor Weihnachten
ist das ganze Evangelium vor uns ausgebreitet
in einem Ave Maria.

Himmel und Erde begegnen sich
im Haus eines Mädchens.
Gottes und Marien Sohn-
Wahrheit abseits allen Trubels.

Gabriel lässt Maria ahnen:
Was geschieht, wird großartig!
Weil sie DAS ahnt, spricht sie am Ende:
Siehe, ich bin des Herrn Magd.
Mir geschehe, wie du gesagt hast.

Maria lässt sich zum Teil der Geschichte Gottes mit den Menschen machen. So wurde es es Weihnachten. Vor 2016 Jahren.

Lasst uns das Geheimnis der Menschwerdung Gottes feiern.
So wird es Weihnachten. 2016 Jahre danach.

Dann sind auch wir
Teil der Geschichte Gottes mit uns.

Uns geschehe, wie du gesagt hast:
Die Liebe Gottes
und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sind mit uns,
denn es wird Weihnachten. Amen

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