Für alle, die weise werden wollen (1. Kor 2, 1-12)

Das Gesetz schafft Ordnung
Im Glauben lebt die Weisheit Gottes

Das Gesetz schafft Recht
Im Glauben lebt das Heil des Kreuzes

Im Gesetz ist Wissen
Im Glauben die Weisheit Gottes

Das Gesetz ist durch Mose gegeben;
die Gnade und Wahrheit
ist durch Jesus Christus geworden.
Johannes 1,17
***

Meine Tochter hat mir einen Quiz-Kalender vom katholischen St. Benno-Verlag zu Weihnachten geschenkt: 365 Fragen und Antworten über Gott und die Welt. Zum 6. Januar, also dem Epiphaniastag, lautet die Frage: Wie viele Könige beten laut der Bibel das Jesuskind in der Krippe an?
a) drei b) einer c) unbestimmte Anzahl d) keiner.

Die Antwort wurde auch verraten. Richtig ist d): Keiner. Denn die Bibel erwähnt nirgends die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar, auch keine anbetenden drei Könige. Die stammen aus der katholischen Tradition in Anlehnung an die biblisch-königlichen Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe und die drei damals bekannten Teile der Welt Europa, Asien und Afrika.

Die Bibel, und hier auch nur der Evangelist Matthäus, spricht vielmehr von Magoi, was wörtlich „Magier“ und bei Matthäus wohl am besten mit „Gelehrte“ zu übersetzen ist. Als Herkunftsort dieser Gelehrten wird Persien oder Chaldäa vermutet, wo damals die größten wissenschaftliche Bibliotheken der alten Welt zu finden waren.

Diese Gelehrten waren „Heiden“, ihre Sprache verriet sie: Sie suchen nach dem „neugeborenen König der Juden“. Juden hätten in der Sprache des Matthäus nach dem „König Israels“ gesucht.

Die Gelehrten sahen ein außergewöhnliches Himmelsphänomen, sehr wahrscheinlich einen sehr hellen Kometen, legten ihre schlauen Bücher beiseite und machten sich auf den Weg ins Ungewisse. Über Umwege kommen sie zum Haus des Kindes (von einem Stall oder einer Krippe weiß Matthäus auch nichts, ebenso wenig von Engelscharen oder Hirten).

Und auch wenn außer dem Kometen nichts besonderes zu sehen ist: Die Gelehrten wissen plötzlich, dass sie gefunden haben, wonach sie suchen. Ein einfaches Kind in einfachen Verhältnissen ist für sie der „neugeborene König der Juden“. Vor ihm werfen sie sich nieder, ihm machen sie königliche Geschenke.

Besonders klug war das sicher nicht. Stellt euch die Situation vor: Sie hatten keinen anderen Hinweis als einen Kometen. Der war wie alle anderen Kometen ordentlich hoch oben am Himmel und nicht am Eingang des Hauses festgeschraubt. Woher sollten sie also wissen, hier richtig zu sein?

Offenbar waren sie sich aber sicher, sich nicht zu irren. Egal, ob sie nun zu dritt oder zu zwölft waren: Sie waren sich einig. Hier ist er zu finden, der „neugeborene König der Juden“. Wirklich nicht besonders klug, wohl aber weise. Das sicherte ihnen einen Platz in der Weltgeschichte und machte aus Gelehrten Weise.

Weisheit ist auch ein zentrales Thema des heutigen Predigttextes. Ich lese aus dem 1. Brief des Paulus an die Korinther im 2. Kapitel:

Als ich zu euch kam, Geschwister, um euch das Geheimnis zu verkünden, das Gott uns enthüllt hat, versuchte ich nicht, euch mit geschliffener Rhetorik und scharfsinnigen Argumenten zu beeindrucken.
2 Nein, ich hatte mir vorgenommen, eure Aufmerksamkeit einzig und allein auf Jesus Christus zu lenken – auf Jesus Christus, den Gekreuzigten.
3 Außerdem fühlte ich mich schwach; ich war ängstlich und sehr unsicher, als ich zu euch sprach.
4 Was meine Verkündigung kennzeichnete, waren nicht Überredungskunst und kluge Worte; es war das machtvolle Wirken von GOTTES GEIST!.
5 Denn euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf Gottes Kraft.

6 Und doch ist unsere Botschaft eine Botschaft VOLLER Weisheit. Verstanden wird diese Weisheit allerdings nur von denen, die der Glaube an Christus zu geistlich reifen Menschen gemacht hat. Denn sie hat NICHTS zu tun mit der Weisheit dieser Welt und mit der Klugheit ihrer Herrscher, deren Macht schon bald vergeht.
7 Nein, was wir verkünden, ist GOTTES Weisheit. Wir verkünden ein GEHEIMNIS: den Plan, den Gott schon vor der Erschaffung der Welt gefasst hat und nach dem er uns Anteil an seiner Herrlichkeit geben will. Dieser Plan ist bisher verborgen gewesen.

10 Uns aber hat Gott dieses Geheimnis durch seinen Geist enthüllt – durch den Geist, der alles erforscht, auch die verborgensten Gedanken Gottes.
11 Nur Gottes Geist ist dazu imstande. Denn genauso, wie die Gedanken eines Menschen nur diesem Menschen SELBST bekannt sind – und zwar durch den menschlichen Geist -, genauso kennt auch nur der Geist Gottes die Gedanken Gottes; niemand sonst hat sie je ergründet.
12 Wir aber haben diesen Geist erhalten – den Geist, der von Gott kommt, nicht den Geist der Welt. Darum können wir auch erkennen, was Gott uns in seiner Gnade alles geschenkt hat.

Die Botschaft des Paulus: Das Verkündigen des Geheimnisses Gottes ohne kluge Worte oder geschliffene Rhetorik.
Eine Botschaft voller Weisheit, die größer ist als jede Menschenweisheit je sein kann, die nichts zu tun hat mit dem, der sie überbringt, weil sie in sich selbst vollkommen ist.
Eine Weisheit, die nur erkennbar wird, wenn ihr Geist wirkt.
Aber nicht der Geist des Menschen. Den braucht der Mensch, um seine EIGENEN Gedanken fassen zu können.
GOTTES Gedanken werden erkennbar durch Gottes Geist.
Ein Geist, der auch Menschen erfassen und dann erahnen lassen kann, wie groß das Geschenk Gottes ist: Jesus Christus, der Gekreuzigte.

Ich ahne, was Paulus meint. Aber wirklich verstehen kann ich ihn nicht. Ich weiß, dass er recht hat. Aber der wichtigste Gedanke verschließt sich meinem Verstand immer wieder neu: Das größte Gottes-Geschenk ist Christus, der Gekreuzigte.

Das erinnert mich daran, dass es mit meiner Weisheit noch nicht so weit her sein kann. Dass mir Wissen näher liegt als Weisheit. Dass ich von geistlicher Reife im Sinne des Paulus weiter entfernt sein muss als es mir lieb sein kann.

Was aber unterscheidet eigentlich Wissen von Weisheit? Vielleicht die Erkenntnis, das Klugheit und Weisheit mitnichten ein Paar Schuhe sein müssen?

Es war sicher klug von den Menschen, Nitroglycerin so zu veredeln, dass daraus ein Sprengstoff wurde, der die Arbeit im Bergbau deutlich sicherer machte. Aber war es weise, diesen Sprengstoff auch im Krieg zu benutzen?
War es weise, die Kernspaltung in großem Stil für die Energieversorgung zu nutzen oder gar zu Waffen werden zu lassen?
Ist es weise, mit dem Wissen über die Entschlüsselung des Erbgutes tief in das Leben einzugreifen, Gene auszulesen oder gar zu verändern?

Klugheit und Weisheit sind ganz offenbar nicht das Gleiche. Weisheit ist nicht einfach eine große Menge an Wissen. Weisheit ist vielmehr eine besondere Qualität von Lebenserfahrung. Ganz theoretisch wird die mit höherem Lebensalter eher da sein als in jungen Jahren. Aber nur ganz theoretisch. Denn Alter schützt vor Torheit nicht und Jugend nicht vor Weisheit.

Dazu kommt das, was der Kritiker Marcel Reich Ranicki einmal feststellte: „Unverständlichkeit ist noch lange kein Beweis für tiefe Gedanken“. Oder anders: Wenn man etwas nicht verstehen kann, heißt es noch lange nicht, dass man selbst dumm ist und auch nicht, dass es einem an Weisheit fehlt.

Und es ist nicht bewiesen, dass etwas schwer Verständliches automatisch weise ist. Tatsache ist aber, dass Wissen schaden kann, wenn es an Weisheit fehlt, aber kaum jemand an zu großer Weisheit zu Schaden gekommen ist.

Es ist also immer kompliziert, wenn man über kluges Wissen und tiefe Weisheit nachdenkt. Das hat schon der Kirchenvater Augustin lernen müssen. Bei seinem Studium der Rhetorik las er Cicero. Augustin war von dessen Streben nach Weisheit begeistert, das wollte er auch in seinem Leben: Weise sein.

Die Mutter von Augustin war Christin, erreichte mit ihrem Glauben ihren Sohn aber nicht (Herkunft und Erziehung sind eben nicht alles!). Auf einem Sarkophag las er dann irgendwann, Christus sei die Weisheit Gottes. Daraufhin las er das NT und legte es enttäuscht zur Seite: Nicht einmal bei den Stammbäumen Jesu waren sich die Evangelisten einig. Was konnte daran also weise sein? 384 wird er dann in Mailand Rhetorikprofessor und Propagandaminister der Römer, weil er vor allem eines NICHT war: Christ.

Dann aber wendet sich sein Leben. In seinen Bekenntnissen berichtet er von seiner Bekehrung. In einem wunderschönen Garten begegnet er einem Kind, dass mehrfach auf ein Schriftstück zeigt und sagt: Nimm und lies! Dort seien Paulusbriefe aufgeschrieben gewesen, und bei deren Lektüre habe er begonnen, einen gigantischen Plan Gottes mit den Menschen zu erkennen.

Wahrscheinlich ist dieser Bericht aber auch nur Propaganda. Sicher ist vielmehr, dass Augustin Ambrosius begegnet ist und von ihm gelernt hat, HINTER den bloßen Wortlaut der Bibel zu sehen, also ihren Geist zu suchen. DADURCH wird aus Augustin ein begeisterter Christ und aus dem begeisterten Christ ein bis heute bedeutender Theologe der Christenheit.

Die Bibel, die für den jungen Augustin an dessen Maßstäben Klugheit und Rhetorik gemessen nur ein dummes Buch war, wird später für ihn zur Quelle aller Weisheit. Weil sie Gottes Geheimnis birgt, das für die Menschen ein großer Schatz ist.

Und um genau dieses Phänomen geht es auch Paulus immer wieder. „In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Kol 2,3) – diesen Schatz weiterzugeben ist Lebensaufgabe des Paulus. Das ist seine Botschaft.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Dieser Paulusabschnitt hat sich für mich noch lange nicht erschöpft. Allein über den Unterschied zwischen Menschenweisheit und Gottesweisheit hätte ich noch viel laut nachzudenken, aber eine Predigt darf ja über alles gehen, nur nicht über 20 Minuten.

Aber vielleicht habe ich in euch die Neugier wecken können. Neugier, um weiter nachzudenken über Klugheit und Weisheit, Gedanken und Geist, Botschaft und Geheimnis. Denn all das lässt aus unserem Glauben einen Schatz werden, der unerschöpflich ist. Dieser unerschöpfliche Schatz ist durch Christus in unserer Welt erschienen. Diese Erscheinung feiert die Epiphaniaszeit.

Sie kann uns aus der Klugheit zur Weisheit führen. Der Weg Jesu von der Krippe zum Kreuz bleibt ohne Offenbarung des Geistes Gottes unverständlich, skandalös, ärgerlich: Einfach nur eine Dummheit.

Der Geist Gottes aber kann uns zur Erkenntnis der Wahrheit führen. Dazu, zu begreifen, warum wir mit UNSERER Weisheit immer wieder schnell am Ende sind. Dass der Plan Gottes mit uns ein Plan des HEILS ist – nicht trotz, sondern WEGEN des Kreuzes, an dem das Leben Jesu endet. Dass das Gesetz Recht schafft, die Liebe aber Gerechtigkeit.

Egal, wie oft wir auf unserem Lebensweg an der Stelle stehen, wo wir nicht mehr weiterwissen, unsere Klugheit uns im Stich lässt:
Das „Geheimnis des Glaubens“, die Weisheit Gottes führt uns zu immer neuem Glauben und Vertrauen in Gott, der uns zu unserer Vollendung in seiner Ewigkeit führt.

Dieses Geheimnis des Glaubens ist kein Geheimnis, das man entschlüsseln oder verraten könnte. Das Geheimnis der Macht der Liebe kann ja auch weder entschlüsselt noch verraten werden. Das Geheimnis des Glaubens verlangt danach, weitergegeben und bewahrt zu werden, und dieses Geheimnis ist verborgen im Kind in der Krippe, im Christus am Kreuz.

Der Lebensweg des Glaubens wird uns immer wieder neu an einem Kreuz am Wege stehen und innehalten lassen. Und auf diesem Kreuz könnte zum Beispiel der alte Spruch stehen:

Gott lieben und sein Kreuz dazu,
gibt der Seele tiefe Ruh.
Denn ohne Lieb ist Kreuz zu schwer,
und ohne Kreuz täuscht Liebe sehr.

Mich lässt das Geheimnis, die aus diesen Zeilen spricht, nicht mehr los. Aus ihnen spricht für mich die Weisheit Gottes, die das Geheimnis des Glaubens bewahrt:

In der Liebe Gottes, der Gnade unseres Herrn Jesus Christus und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes
liegt die Weisheit Gottes.
AMEN

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