An ihm scheiden sich die Geister (Apg 2 1-18)

Fest des Geistes, der Kirche schafft
die Gemeinschaft der Heiligen feiert
sie ist begeistert
vom Wort Gottes, dass Herzen entzündet
und das Leben wandelt
in ewiges Leben

Pfingsten

Es soll nicht durch Heer oder Kraft,
sondern durch meinen Geist geschehen,
spricht der HERR Zebaoth.
Sacharja 4 Vers 6
***
Ich bin be-geistert! Das bedeutet im Wortsinn: Ich bin ganz von einem Geist ergriffen. Er füllt mich aus. Fasziniert erkenne ich, was dieser Geist vermag. Wer begeistert ist, fühlt sich gerade großartig. Ich denke, alle hier wissen, wovon ich rede, weil das allen schon mal passiert ist: Begeistert von einem Urlaubsplan, einem Buch, einem Geschenk, einem Film, einer Rede…

Geister können einen aber nicht nur erfreuen oder in Hochstimmung versetzen. Sie können einen auch erschrecken oder in Angst versetzen. Und da rede ich jetzt nicht von Gespenstern in der Geisterbahn oder den Geistern, die nach Mitternacht die Friedhöfe und Keller bevölkern sollen. Geister sind ein ernstes Thema. Denn an der Frage, „wes Geistes Kind“ jemand ist, entscheidet sich vieles in Leben.

Zum Beispiel ob man sich wohl fühlt oder nicht. Denkt nur an die Demonstrationen gegen die staatlichen Corona-Kontakt-Beschränkungen. Nicht wenige fühlen sich dort inzwischen unwohl, weil sie nicht sicher sind, welcher Geist bei diesen Demos der stärkere ist:

Der Geist der Demokratie, also der Geist des Rechtes auf Gegenverkehr, der fragt, ob die Regelungen, Reglementierungen und Vorschriften eigentlich wirklich noch ordentlich begründet sind.
Oder der Geist derer, die überall Verschwörung und fehlenden Sachverstand wittern. Also der Geist der Einbahnstraße, der Gegenverkehr als grundsätzlich falsch und schwach bewertet und darum genauso grundsätzlich ablehnt.

Niemand wird es wirklich bestreiten wollen: Auf den Geist kommt es an. Gar nicht so sehr auf das, was man vor Augen sieht. Das nämlich kann täuschen. Man sieht es den Menschen von außen ja zum Beispiel nicht an, warum sie auf diese Demos gehen. Das Sichtbare ist eben sehr oft nicht so wichtig wie das, was man nicht sehen kann. Das Sichtbare kann nicht nur täuschen, es kann darüber hinaus auch ent – täuschen.

Geist kann man nicht sehen. Aber auf den Geist kommt es an. An jedem Tag, fast jedem Moment des Lebens. Selbst wer nur gern zu gutem Essen in ein Restaurant geht, wird schnell feststellen, ob hier der Geist des Geldverdienens herrscht oder der Liebe zum Kochen weht. Und wer auf ein Fest eingeladen ist, wird auch dort schnell spüren, ob hier im Geist der Etikette der letzte Schrei der Garderobe ausgeführt werden soll oder ein Geist herzlicher Fröhlichkeit lebt.

Wer einen der Superreichen dieser Welt persönlich kennenlernt, wird sich bald fragen, ob dieser seinen Reichtum im Geiste der persönlichen Bereicherung BESITZT oder im Geiste der Verantwortung für diejenigen VERWALTET, denen er diesen Reichtum verdankt.

Was immer mir auf dieser Welt begegnet: Gut ist es für mich nur, wenn sein Geist gut für mich ist. Der Geist bestimmt, ob mit der Kernspaltung Energieprobleme gelöst oder Atomwaffen gebaut werden. Ob jemand spendet, um zu helfen, oder um in den Zeitungen zu stehen. Ob künstliches Leben sich zu Fortschritt oder Ende der Menschheit entwickelt. Auf den Geist kommt es an!

Wer also meint, Geister seien nichts für denkende Menschen, sondern ausschließlich etwas für Zauberlehrlinge oder Geisterbahnen, der hat wirklich nicht begriffen, wie das Leben funktioniert. Der ist wirklich geistlos. Denn auch und gerade das, was mich berührt, ändert, mich von Herzen froh macht: All das ist geistvoll. Geist ist Leben. Und wer seinen Geist aushaucht, haucht sein Leben aus.

Aus der Apostelgeschichte des Lukas nun der Predigttext für heute (Apg 2,1-18). Wie schon in der Lesung aus dem 4. Buch Mose geht es auch hier um Geistvolles:

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.
5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? 8 Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? 9 Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, … Römer, die bei uns wohnen, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.
12 Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? 13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.

14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! 15 Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst {9 Uhr} … 16 sondern das ist’s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):
17 “Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben;
18 und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen {wie Propheten reden}…

Die Pfingstgeschichte beschreibt diesen ganz besonderen Geist. Den Geist Gottes, der auch DIE KIRCHE zu dem macht, was sie ist. Der sie erfüllt, sie zum Leben erweckt und am Leben hält.

Fünfzig Tage nach dem Passahfest feiert Jerusalem mit seinen Pilgern das jüdische „Wochenfest“ Schawuot, griechisch: pentakoste. Alle feiern, dass sie ihn haben, ihren Gott. Feiern, dass er mit ihnen spricht, dass er ihnen in der Thora Weisung für ihr Leben gibt.

Und bei diesem Mal: Fünfzig Tage nach der Erweckung des Christus aus dem Grabe, Zehn Nächte nach Himmelfahrt, nun die Krönung des Ostergeschehens. Jerusalem ist voller Pilger, die von überall aus der damals bekannten Welt gekommen sind. Diese Pilger werden Zeugen, wie der Geist Gottes Menschen in Besitz nimmt und sie begeistert.

Diese Pilger kamen aus Orten, die viele auch heute sehr schätzen. Namen mit mystischen Erinnerungen an so manchen malerischen Urlaub in der Sonne: Israel, Ägypten, Südtürkei, Jordanien – Norden, Süden, Westen, Osten. Und sie erleben Begeisterndes: Sie alle hören in ihrer Muttersprache von den Werken Gottes. Von der Erschaffung der Welt bis zum Ostertag.

MUTTERSPRACHE: Die Sprache, der Tonfall, das Gefühl, das jeder von uns schon kannte, bevor er geboren wurde. Weil die Stimme der Mutter schon vorher, während der ganzen Schwangerschaft, da war. Die wir verstehen können, ohne auf die einzelnen Worte achten zu müssen.

MUTTERSPRACHE: In Schweden erzählte mir ein Pfarrer von einer Frau aus Deutschland, die schon seit über 60 Jahren in Schweden lebte und akzentfrei Schwedisch sprach.

Aber nach einem Schlaganfall ist all das Schwedisch aus ihrem Kopf wie weggeblasen. Sie kennt nur noch ihre Muttersprache. Und die erzählt ihm nun, dass sie dadurch gemerkt hat, dass sie alles, was ihren Glauben betrifft, immer auf Deutsch gedacht hat, nie auf Schwedisch. Sie sagt: „Man glaubt und betet in seiner Muttersprache.“

All diese Pilger in Jerusalem, auch die Jerusalemer selbst, hören nun von den Werken Gottes in ihrer MUTTERSPRACHE. Sie hören und begreifen plötzlich Dinge, die sie niemals zuvor gehört und begriffen haben.

Das aber verwirrt zunächst viele. Jeder von uns wird das nachvollziehen können. Wer einem Geist begegnet, den er nicht kennt, ist zunächst vorsichtig. Hält sich lieber erst einmal zurück. Man fragt sich: Was wird das werden? Wes Geistes Kinder sind die da eigentlich? Ent- geistert sehen sie diesem fremden Geist ins Gesicht. Ist das der Geist des Weines?

Aber Petrus widerspricht, er erinnert an die Uhrzeit: 9 Uhr morgens ist es doch erst. Und Petrus verweist auf den Propheten Joel. Der nämlich spricht davon, dass einmal der Geist Gottes zu allen sprechen wird: Zu Töchtern und Söhnen, zu Jungen und Alten. Sie alle werden Gott erkennen, den Grund ihres Glaubens begreifen, die Wahrheit wissen.

Hier herrscht also KEIN Ungeist. Hier herrscht der Geist, der auch DIE Menschen Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt erleben und verstehen lässt, die NICHT dabeiwaren. Hier herrscht der Geist, der Menschen Gott finden lässt. Der Geist, der sie alle hier, in Jerusalem, zum Pfingstfest zusammengeführt hat. Der Geist, nach dem sie doch alle suchten.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Der Geist Gottes, der heilige Geist, ist genau so wenig sichtbar wie alle Geister. Dass der Geist Gottes „wie eine Taube“ aus dem Himmel kommt, ist ein ziemlich spätes Bild, das nur in den vier Evangelien zu finden ist, und da auch nur je ein Mal (im ersten Teil der Bibel gar nicht)- Aber so kann man heute zumindest auf Bildern sehen, wenn er mit von der Partie ist.

Sichtbar aber ist, was durch ihn geschieht: Er wirkt Leben und Heil für die Menschen. Gottes Geist war von Anfang an Quelle und Ursprung allen Lebens. „der Geist Gottes schwebte über den Wassern“, heißt es in der Bibel (1. Mose 1,2). Gottes Geist hat seinen Geschöpfen seinen Lebensodem eingehaucht, er hat sein Volk auf seinem Weg durch die Geschichte begleitet. In Christus hat er viele Menschen Gott finden lassen.

Überall, wo Gottes Geist wirkt, ist zu sehen, dass er den Menschen Heil bringt. Im Licht von Ostern und Pfingsten können wir unsere Welt neu als vom Geistes Gottes getragen erkennen. Damit gewinnt unsere Welt ihre Eindeutigkeit zurück: Nichts geschieht ohne Gott, die Schönheit seiner Welt bleibt unangetastet, und wir dürfen auf ihr leben und alt werden.

Der Geist Gottes gründet keine Universitäten, Parteien oder Aktiengesellschaften. Der Geist Jesu Christi gründet auch keinen Verein, nicht einmal die katholische oder evangelische Kirche. Aber er schafft die Gemeinschaft der Heiligen und lässt sie lebendig sein. Gemeinden, die sind, wie die Menschen vor Ort sind: Manchmal fröhlich und liebevoll, aber manchmal auch deprimiert.

Weil dieser Virus selbst den Gemeindealltag völlig auf den Kopf stellt. Weil sie in den Kirchen immer weniger werden, weil sie den Finanzmangel verwalten oder mit den Ungeistern ihrer Mitglieder klarkommen müssen: Von Kreuzzügen über Hexenverbrennungen bis zur Misshandlung von Schutzbefohlenen, von Kleinkrämerei über Lieblosigkeit bis zur ausgesprochenen Unfreundlichkeit.

Auch Gemeinden sind leider Orte, an denen der Geist der Überheblichkeit regieren kann, der einem einflüstert, man sei allein im Besitz der Wahrheit. Anders als die anderen, die erst neu sind und noch lernen müssen, anders als die anderen, die andere Religionen, Hautfarben, sexuelle Vorlieben haben. Wenig Heiliges ist da, dafür viel Ernüchterndes.

Aber am Geist Gottes werden sich auch weiter die Geister scheiden. Denn Gottes Geist ist der Geist unendlicher Liebe, die KEINES der Geschöpfe Gottes je aufgibt oder im Unglück untergehen lässt.

Wo DIESER Geist weht, entsteht Kirche Jesu Christi, und andere Geister und Ungeister verlieren jede Bedeutung.
GOTTES Geist lässt Kirche leben. Denn ER begeistert die Menschen, weil er sie GOTT erkennen lässt. Liebe leben lässt. In ihrer Muttersprache zu ihnen spricht, so dass sie Gott verstehen. Endlich. Auf diesen Geist kommt es an.

Auf die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern in Gott.
Überall auf der Welt.
Und solang sie sich dreht. Mindestens.
Amen.

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