Brot Fleisch Blut (Joh 6 47-51)

Unser Gottesdienst Laetare zum Nachhören ist für vier Wochen hier zu finden.

Dietrich Bonhoeffer

Wir müssen uns immer wieder
sehr lange und sehr ruhig
in das Leben,
Sprechen,
Handeln,
Leiden und Sterben Jesu versenken,
um zu erkennen,
was Gott verheißt
und was er erfüllt.
Gewiss ist,
dass im Leiden unsere Freude,
im Sterben unser Leben verborgen ist;
gewiss ist,
dass wir in dem allen
in einer Gemeinschaft stehen,
die uns trägt.

Christus spricht:
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt,
bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Johannes 12,24
***

Joh 6,47-51, Zürcher Bibel

47 Amen, amen, ich sage euch:
Wer glaubt, hat ewiges Leben.

48 Ich bin das Brot des Lebens.
49 Eure Väter haben in der Wüste
das Manna gegessen und sind gestorben.
50 Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt:
Wer immer davon isst, stirbt nicht.
51 Ich bin das lebendige Brot,
das vom Himmel herabgekommen ist.
Wenn jemand von diesem Brot isst,
wird er in Ewigkeit leben;
und das Brot, das ich geben werde,
ist mein Fleisch, für das Leben der Welt.

„Das Brot, das ich geben werde,
ist mein Fleisch, für das Leben der Welt.“ (V 51)
Das ist einer der Verse aus der Bibel, der manchem Menschen auch heute sauer aufstößt, wenn er am Abendmahl teilnimmt.

Wenn man dort Brot und Wein zu Fleisch und Blut gewandelt bekommt, noch genauer:
Zu Menschenfleisch und Menschenblut – ist das nicht Menschenfresserei, Kannibalismus?

Diese Sicht ist mir zum ersten Mal bewusst in meiner ersten Pfarrstelle in Dahme begegnet. Durch eine Staatsbürgerkundelehrerin, die ich dort kennen lernen durfte oder besser musste. Die schwenkte sehr schnell nach der Wende um und wurde zur Lehrerin für Lebensgestaltung-Ethik-Religion, kurz: LER.

Dieses Schulfach war im Bundesland Brandenburg eingeführt worden. Von der ursprünglichen Idee, dass dort die Teile Religion von Menschen unterrichtet werden sollten, die aus den Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften stammten, wurde sich schnell wieder verabschiedet.

Und so erklärte die geläuterte LER- Lehrerin irgendwann ihren Schulklassen, dass das christliche Abendmahl eine moderne Form des Kannibalismus sei. So wäre das schließlich schon in der Bibel nachzulesen.

Und ihre Schülerinnen und Schüler, die nachmittags meinen Konfirmandenunterricht besuchten, hatten es dann nicht leicht, dieses Bild aus dem Kopf zu bekommen, wenn es dann um ihre eigene Teilnahme am Abendmahl ging. Und ich weiß, dass es nicht wenigen Erwachsenen auch heute so geht, wenn sie zum Abendmahl gehen.

Tatsächlich erzählt Johannes die Szenerie um dieses so genannte „Brotwort“ auch so, dass im Anschluss die Menschen in der Synagoge in Kapernaum wie vor den Kopf gestoßen reagieren und fragen:

„Wie kann uns der sein Fleisch zu essen geben?
Da sagte Jesus zu ihnen:
Amen, amen, ich sage euch:
Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst
und sein Blut trinkt, habt ihr kein Leben in euch.“ (V 52,53)

Doch die Gemeinde des Johannes hat das ganz sicher nicht als Kannibalismus missverstanden. Nach all dem, was wir wissen, war die Kreuzigung Jesu zu ihrer Zeit schon fast einhundert Jahre her. Und die Menschen in der Gemeinde fühlten sich ganz sicher nicht als Gemeinschaft von Menschenfressern.

Worum geht es also wirklich?

Um Brot geht es Johannes, das ist nicht zu überlesen. Das Wort Brot kommt in unserem Textabschnitt fünf Mal häufiger vor als die Worte Glauben oder Fleisch.

Brot ist nun aber nicht irgend etwas zum Essen, etwa wie Götterspeise mit Vanillesoße. Götterspeise mit Vanillesoße wird auch dann nicht jeder essen, selbst wenn man sie uns in der Werbung tagtäglich voressen würde.

Schon gar nicht die aus Plastebechern von Doktor Weißichnicht, denn Plastebecherpudding ist erst recht nicht jedermanns Sache, auch wenn ich persönlich das hin und wieder gern esse.

Brot aber spielt in einer ganz anderen Liga.
Noch nie ist mir jemand begegnet, der überhaupt kein Brot isst. Es mag anderswo auf der Welt Menschen geben, die nicht so viel Brot essen wie wir. Hier unter uns aber wird kaum jemand zu finden sein, für den nicht irgendeine Brotsorte zu den Grundnahrungsmitteln zählen würde, zumal die Auswahl zwischen Vollkornbrot über Mischbrot und Weizenbrot bis zu den verschiedensten Knäckebroten nicht gerade klein ist.

Und wenn es gar noch warm und knusprig ist und sein Duft in der Straße vor der Bäckerei oder zuhause aus dem Backofen in der Küche schwebt – da läuft den meisten Menschen das Wasser im Munde zusammen.

Vielleicht ist das Brot gerade deshalb schon immer ein wichtiges Symbol.
Symbole versteht man schneller als komplizierte Beschreibungen, wie ich allein schon an den vielen Piktogrammen an meinem Rasenmäher sehen kann.

Symbole sind eben oft klarer als lange Reden. Und doch REDE ich jetzt einfach weiter, richtet euch also auf Hörarbeit ein.

Das Brot als Symbol:
Wer Brot hat, leidet keinen Hunger.
Wer sein Brot oder seine Brötchen verdient, hat eine Arbeit. Brötchengeber ist Synonym für Arbeitgeber.

Wer also so einen Brötchengeber und damit sein tägliches Brot hat, braucht sich um das Überleben keine Sorgen zu machen. Er hat dann meist nicht nur ausreichend zu essen und zu trinken, sondern auch ein Dach über dem Kopf, etwas mehr als nur einen Pullover und eine Hose und wahrscheinlich sogar ein Fahrrad im Keller.

Auch für die Bibel ist das Brot als Symbol unverzichtbar. Brot kommt hier 270 mal vor. Mehr als doppelt so oft wie heilig: Das gibt es nur 119 mal.

Die Bibel verbindet durch das Brot uns Menschen mit Gott. Gleich beim ersten Gebrauch dort finden wir Brot als Symbolwort:

„Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen“, soll Gott zu Adam nach 1. Mose 3, 19 gesagt haben. Hier geht es freilich nicht um einen schönen Urlaub im Süden bei 30 Grad im Schatten, sondern um die Bewältigung der Lasten des Alltages: Seinen Lebensunterhalt zu beschaffen wird den Menschen stets Anstrengung und Geduld kosten.

Und doch ist „Brot“ auch in der Bibel nicht einfach nur Anlass zum Jammern oder Stöhnen, weil das Leben nun einmal aufreibend ist.

Brot ist auch bei großen Festen nicht wegzudenken. Israel feiert sogar ein Brotfest, das Fest der ungesäuerten Brote, das Mazzenfest, das später mit dem Passafest verbunden wurde. Hierbei soll der Auszug des Volkes aus der Sklaverei Ägyptens im Leben des Volkes lebendig erhalten werden.

Lebendig sein, lebendig bleiben, wieder lebendig werden:
Das ist es wohl auch, worum es Johannes in der Brotrede Jesu geht. Dieses Brot, das wie einst das Manna aus dem Himmel auf die Erde kommt, wirkt nicht nur Überleben, sondern ewiges Leben.

Aus dem Himmel:
Ein weiteres Symbol, durch das Johannes das Gegenüber von Gott und Mensch ins Denken rückt.

Der Himmel ist oben, zum Greifen nah und doch unerreichbar fern. Die Wohnung Gottes, der die Wohnung der Menschen unten auf der Erde beschirmt und umschließt. Jesus kommt von oben, aus dem Himmel Gottes. Er ist Sohn Gottes, Er SELBST ist das lebendige Brot, das von oben kommt.

Für Johannes ist klar: „Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben“ (V 51) – egal, ob er mit 30, 60 oder 90 Jahren stirbt.
Die Frucht dieses Glaubens:
Ein Leben ohne die Grenzen dieser Welt.

Lebendig sein, lebendig bleiben, wieder lebendig werden – das genau ist es denn auch, was die biblische Formulierung „Gedächtnis“ immer wieder zum Ausdruck bringt.

Bei „Gedächtnis“ geht es nicht einfach darum, sich rechtzeitig an etwas zu erinnern, bevor man es etwa vergisst. Also: Hoffentlich vergesse ich nicht, die Uhr umzustellen, sonst komme ich zu spät zum Gottesdienst.

Nein, es geht um mehr.
In Psalm 111 ist in Vers 4 zu lesen:
„Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR.“
Das aber ist so, als würden die Wunder selbst zu lebendigen Wesen, hätten die Wunder selbst ein eigenes Leben, ein eigenes Gedächtnis.

So bleiben sie dem Menschen nicht einfach nur in Erinnerung. Nein, sie begegnen dem Menschen zeitlebens wieder und wieder. Menschen kommen nicht an den Wundern vorbei, sie ER-LEBEN sie. So waren, sind und bleiben die Wunder Gottes nicht nur in Erinnerung, sondern LEBENDIG.

In dieser „Brotrede“ geht es Johannes um die lebendige, ewige Verbindung des Menschen zum Leben mit Gott ohne die Grenzen dieser Welt. Johannes verbindet hier Passionstheologie mit der Theologie des Abendmahls.

Der Tod Jesu am Kreuz wird zum Sieg Gottes über die Mächte, die auf dieser Welt wirken und zu herrschen versuchen. Diese aber sind darauf bedacht, den Menschen von Gott zu trennen, den Sund zwischen Mensch und Gott immer größer und tiefer werden zu lassen.

Jesu Tod am Kreuz ist nun der irdische Tod des Einzigen Sündlosen. Dieser Justizmord, der stellvertretend für alle Macht dieser Welt steht, die das Leben beherrschen und dem Tode weihen will – dieser Justizmord verkehrt sich in sein Gegenteil:

Die Auferweckung Jesu am Ostermorgen straft die Mächte dieser Welt der Lüge. Der Tod, der alles irdische Leben an jedem Tag, jeder Stunde zu beherrschen sucht, muss dem Glauben weichen: Dem Glauben an den einzigen Gott des Universums, bei dem Ewiges Leben ist. Der Allmächtige siegt über die Mächtigen.

Dieser Glaube an den Allmächtigen, dieses Leben ohne irdische Begrenztheit aber ist nur zu haben, wenn man wortwörtlich Anteil am Leben Jesu hat.
Wenn man sein Leben mit und durch Gott selbst lebt.

Das bedeutet ja nicht, für immer jung auf dieser Welt zu leben, ohne sie je verlassen zu müssen.
Aber es bedeutet ein Leben in Gottes grenzenloser Freiheit, OHNE der Bedrohung durch die großen und kleinen Könige und Fürsten dieser Welt nachgeben zu müssen.

Anteil am Leben Jesu zu haben bedeutet, ein Lebensziel zu haben, das sich lohnt. Jesus lebte Liebe und Geborgenheit, Vergebung und Gnade, Zeit und Ruhe für den Nächsten, Gemeinschaft in der Familie Gottes. Wer glaubt, HAT das ewige Leben, HAT ein Lebensziel, das sich lohnt.

Liebe Geschwister,

„solches tut zu meinem Gedächtnis“.
DAS geschieht, wenn wir Abendmahl feiern.
Jesu Tod und Auferstehung werden für uns nicht nur erinnert,
sie werden für uns lebendig.

Johannes bringt das einige Verse später so auf den Punkt (V 55-58):

„Mein Fleisch ist wahre Speise, und mein Blut ist wahrer Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.
Wie mich der lebendige Vater gesandt hat
und ich durch den Vater lebe,
so wird auch durch mich leben, wer mich isst.

DIES ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.
Und mit DIESEM Brot ist es nicht wie mit dem, das die Väter gegessen haben und gestorben sind;
wer DIESES Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“

Damit ist alles gesagt.

Also:
Egal, ob euch das Leben gerade schwer anficht oder es euch leicht fällt, egal ob jung oder alt, ob krank oder gesund, ob fröhlich oder traurig –
Schluss mit der Rede,
denn wir alle sind willkommen am Tisch des Herrn.

Hier ist Anteil am Brot des Lebens:

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes

leben –
im Abendmahl.
AMEN

LIED 98: 1-3

1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt –
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.
2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.
3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

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