Riesenmagnet (1. Tim 3,16)

Selbst in die dunkelste Zeit des Lebens
trägt Gott das Licht der Welt.
In den dunkelsten Tagen des Jahres
entzünden wir darum sein Lichtermeer.

Denn für uns wird Wirklichkeit,
was der Prophet Jesaja kommen sah:

1 Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais
und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.
2 Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN,
der Geist der Weisheit und des Verstandes,
der Geist des Rates und der Stärke,
der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN

Alle Jahre wieder, immer am Heiligen Abend, stellt irgendwer im Himmel an einem Riesenmagneten den Schalter auf „AN“. Und jede und jeder, der irgendwie weihnachtsmagnetisch ist, wird daraufhin in irgend eine Christvesper hineingezogen.

Gegen all die fassungslosen Stimmen rundherum:
Du gehst doch sonst nie in die Kirche!
Na und? Heiligabend will ich aber.
Sei doch nicht so sentimental, die Geschenke liegen auch so unter dem Weihnachtsbaum!
Na und? Heiligabend ohne Vesper ist kein guter Heiligabend.
Du bezahlst doch nicht mal Kirchensteuer!
Na und? Dafür spende ich für „Brot für die Welt“. Außerdem freuen die sich, wenn ich komme…

Alle Versuche, sich zu wehren, sind zwecklos. Alle Argumente dagegen bleiben ohne wirkliches Gewicht. Der Heilige Abend braucht eine Christvesper. Sonst ist er nur eine Feier unter vielen.

Woran liegt das? Was bewirkt diesen merkwürdigen Weihnachtsmagnetismus?

Na klar: Krippe und Christkind, die schönen Texte unserer Weihnachtslieder, Ochs und Esel und all die Scharen von Engeln sind aus den Gemeinderäumen, Kapellen, Kirchen und Katedralen in die Welt hinausgetragen worden.

Schließlich gibt es Kirchen nur deshalb seit hunderten von Jahren, weil es die Weihnacht gab. Wir sind also heute an der Quelle, sitzen in der ersten Reihe, also genau da, wo Weihnachten zuhause ist.

Aber hat man sich das alles nicht irgendwann übergesehen, übergehört? Ist es nicht alle Jahre wieder das Gleiche? Was ist das Besondere an diesem Kind, dass wir seinen Geburtstag immer noch feiern? Wo liegt das Geheimnis dieses Abends?

Im ersten Timotheusbrief, genauer Kapitel 3 Vers 16, finden wir eine mögliche Antwort. Da kann man lesen:

Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,/ gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln, / gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,/ aufgenommen in die Herrlichkeit.

Er – das ist niemand anderes als der Gegenstand des Glaubens, Gott selbst. Sechs schwerwiegende theologische Sätze schreibt Timotheus:

1. Gott ist offenbart im Fleisch.
Gott legt alle Macht ab und legt sich in eine Futterkrippe. Das ist der Kern der Weihnachtsbotschaft. Gott wird Knochen und Fleisch wie wir. Damit kommt er den Menschen so nahe wie nie zuvor. Er zeigt ihnen, wer er ist. Die Menschlichkeit in Person.

Vielleicht lieben viele gerade deshalb das Weihnachtfest so, weil Gott ihnen als Kind so sympathisch ist. Ein Neugeborenes ist keine Bedrohung, es ist im Gegenteil völlig schutzlos. Das ist kein Gott der Angst, das ist ein Gott der Wärme, Herzlichkeit und Liebe. Der große Gott im kleinen Jesus. Kaum ein Mensch, dem da nicht das Herz aufginge.
Weihnachten ist die Jesus- Offenbarung Gottes.

2. Jesus ist gerechtfertigt im Geist.
Damit hat Jesus in der Sprache der Alten den gottgewollten Sinn des Lebens gefunden. Und dieser Jesus wird so leben, wie Gott das Leben für uns will: Voller Hingabe, Wärme und Liebe. Er wird die Liebe Gottes in die Herzen der Menschen tragen.

Die Geltungs- und Herrschsucht der Menschen wird ihn ans Kreuz bringen. Die Liebe scheint am Ende dem Tod zum Opfer zu fallen. Aber der Ostertag schenkt der Liebe den endgültigen Sieg. Weihnachten: Der beginn des endgültigen Siegeszuges der Liebe Gottes.

3. Jesus ist erschienen den Engeln.
Denjenigen also, die Gottes Botschafter hier auf Erden sind. Seine Botschaft unter die Menschen bringen. Gottes Engel erkennen in dem Christus Gott selbst und tragen diese Erkenntnis hinaus in diese Welt. Chor der Engel erwacht: Die Hirten machen die Entdeckung ihres Lebens.
Weihnachten passiert nicht nur im kleinen Bethlehem: Erschienen den Engeln.

4. Jesus – gepredigt den Heiden.
Denen also, die von Gott bisher keine blasse Ahnung hatten. Die nicht mit Gott großgeworden sind. Die den Sinn ihres Lebens woanders suchten. Die nicht schon immer Bescheid wussten. Ihnen begegnet am Heiligen Abend das Licht ihres Lebens. Bis auf den heutigen Tag.
Weihnachten geschieht für alle Menschen auf der Welt.

5. geglaubt in der Welt.
Seither reißt die Kette von Menschen nicht ab, die fasziniert vor dem Kind in der Krippe stehen, dass ihr Leben verändert und ihr Sterben gleich dazu. Milliarden von Menschen erleben das. Weihnachten: Geglaubt in der Welt. Alle Jahre wieder.

Schließlich 6. aufgenommen in die Herrlichkeit.
Nicht in die Galerie der Ahnen, wo all die in Öl gebracht sind, die vor uns gewesen sind. Sondern in die Herrlichkeit Gottes, den Himmel unserer Sehnsucht,  in die Zukunft, die uns sicher ist.

Seit Weihnachten wissen wir zwar immer noch nicht, was morgen sein wird. Aber wir können sehen, dass am Ende von allem das Gottes Licht scheint.
Weihnachten: Das Licht Gottes ist nicht mehr auszulöschen.

DAS ALSO IST DAS GEHEIMNIS DES GLAUBENS. Das ist der Magnet, der alle Jahre wieder die Menschen an die Krippe zieht und still werden lässt.

Mancher wird jetzt denken: Das verstehe ich nicht. Wenn ich das Geheimnis kenne, hat es seine Kraft verloren. Dann kann es mich vielleicht EIN MAL in die Kirche ziehen, aber doch nicht alle Jahre wieder neu.

Aber es doch gibt zwei Arten von Geheimnissen.
Die erste ist die Sorte, für die man wegen Geheimnisverrats ins Gefängnis oder gar den Galgen kommen kann. NSA- Geheimnisse, Staatsgeheimnisse, Seelsorgegeheimnisse, Arztgeheimnisse, Bankgeheimnisse… Wer solche Geheimnisse verrät, macht sich eben viele Feinde. Geheimnisverrat – ein Kapitalverbrechen.

Die andere Sorte Geheimnis ist die, an der man sich nicht sattsehen kann. Die großen Geheimnisse des Lebens. So, wie sich im Frühjahr das Leben Bahn bricht und tausende Farben die Seele erreichen. Wenn man die Liebe seines Lebens findet und sich fragt, wo die Flugzeuge im Bauch herkommen, oder wie sie 50 Jahre oder mehr halten kann ohne zu bleiben, was sie ist.

Zu den großen Geheimnissen des Lebens gehört das Kind in der Krippe. Es verzaubert die Menschen seit 2015 Jahren. In Bethlehem finden die Menschen etwas, was sie sonst noch nirgends gesehen haben und nirgends finden.

Das Geheimnis des Glaubens nämlich.
Er ist offenbart im Fleisch,/ gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln, / gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,/ aufgenommen in die Herrlichkeit.

An der Krippe finden wir den Frieden Gottes, der größer ist, als all unser Denken es fassen kann. Seine Liebe bewahrt unsere Leiber und unsere Seelen auf ewig.
Dieses Geheimnis ist so groß, dass die Welt es feiern wird, so lange sie sich dreht.
Darum feiern wir auch heute.  Amen.

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