Lasst uns predigen (Röm10, 9-17)

Glaube führt uns hierher
Glaube lässt uns
hoffen
zweifeln
fragen
hören
lieben
leben
Glaube ändert alles
JEDER Tag der Welt
wird Gottes Tag
auch für uns
Unser Glaube ist der Sieg,
der die Welt überwunden hat.
1 Johannes 5,4c
***
Glaube- was ist das? Darum geht es heute zuerst. Ist „Glauben“ das Gegenteil von „Wissen“? Mein Mathelehrer in der Grundschule war davon überzeugt,  die meisten Fernseh-Kommissare sind es ebenfalls. Sie wollen wissen, nicht glauben. Glauben gehöre in die Kirche, meinen sie. Und sie haben zum Teil Recht.

ZUM TEIL deshalb, weil es mit dem Wort „Glauben“ so ist wie mit vielen anderen Worten im Deutschen. Zum Beispiel das Wort „Birne“: Wenn mein Vater Birnen kaufen geht, bin ich nie sicher, ob er die in der Elektroabteilung oder am Obststand sucht. Ganz ähnlich ist das beim Schloss: Findet man das beim Makler oder beim Schlüsseldienst? Ist Erde das, was der Bauer prüfend in der Hand hält oder ein Planet im Universum? Ist der Himmel der Raumstation MIR derselbe wie der siebente, in dem das Liebespaar gerade ist, oder der Himmel von Bibel und Theologie?

Viele Worte unserer Sprache haben sehr unterschiedliche Bedeutungen. „Ich glaube, 10 hoch 6 ist 17 durch 2“ will der Mathelehrer nicht hören, weil es falsch ist. Hier heißt „Glauben“ „Vermuten“ in dem Sinne: Ich glaube, dass es heute Nacht regnet. Kann sein, kann auch nicht sein. In diesem Sinne haben Mathelehrer und Fernsehkommissare Recht: Sie wollen wissen, nicht glauben.

Aber sie haben Unrecht, wenn sie damit behaupten, auch beim Glauben in der Kirche ginge es um das Gegenteil von Wissen.

„Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden.“ Das haben wir eben gesungen, und ich denke, dass wir das aus ganzem Herzen getan haben. Denn wir suchen kein anderes Ziel als dieses:

„Mein Herz allein bedacht soll sein auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund“. Das bekennen wir, das ist unser Glaube.

Für uns gilt: Das ist nicht das GEGENTEIL von „Wissen“. Das ist MEHR als Wissen. Glauben ist, dass man eine Sache für die Wahrheit hält, so wie es der Hebräerbrief auf einen Punkt bringt: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (11,1)

In diesem Sinne glaubt JEDER Mensch. Auch Naturwissenschafts-Gläubige. Sie glauben nicht nur daran, dass der Mensch in der Lage sei, irgendwann alle Rätsel des Lebens zu entschlüsseln. Auch sie müssen DIE Dinge im Leben beschreiben, die man zwar nicht sehen und anfassen kann, die aber das Leben jedes Menschen bestimmen.

Zum Beispiel kann niemand wissen, wie das ist, tot zu sein. Viele Menschen glauben daran, dass sie dann nichts mehr sehen oder hören oder fühlen. Aber niemand kann das garantieren.

Für den Glauben bedeutet das aber: Menschen teilen sich NICHT ein in Glaubende und Wissende, sondern in verschieden Glaubende.

Selbst die „wissenschaftlichen Materialisten“ in DDR- Zeiten glaubten. Sie GLAUBTEN an die Idee des Kommunismus und HOFFTEN auf den Zwischen- Erfolg des Sozialismus.

Darum bildeten sie ihre Lehrer in Geschichte, Deutsch, Staatsbürgerkunde oder Wirtschaft in dieser Glaubenslehre aus. Und die mussten dann ihren Schülern oder Studenten diesen Glauben so lange predigen, wie es irgend ging – einzig mit der Hoffnung, dass auch die irgendwann auf den Kommunismus hofften und den Glauben an ihn bekannten.

Glauben ist eine Lebenseinstellung, und nicht alle werden dasselbe glauben. Genau das aber macht vielen das Glauben schwer. Denn es tut weh, dass Menschen, die einem wichtig und nahe sind, den eigenen Glauben nicht teilen.

Natürlich glauben wir Gott, dass er Liebe und damit Freiheit in unser Leben bringt. Also kann sich jeder auch frei gegen Gott entscheiden. Auch die Medaille der Freiheit hat eben mindestens zwei Seiten. Aber wäre es nicht schöner, wenn viel mehr Menschen unseren Glauben teilten?

Darum fühlt man sich auch angegriffen: Ist mein eigener Glaube vielleicht einfach nur zu klein? Vielleicht liegt es nur an mir, dass der Andere nicht glaubt? Müsste ich einfach nur mehr tun? Und wenn ja, was?

Paulus schreibt im Brief an die Gemeinde in Rom Kap.10 ab Vers 9:

9 Wenn du also mit deinem Mund bekennst, dass Jesus der Herr ist, und mit deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden.
10 Denn man wird für gerecht erklärt, wenn man mit dem Herzen glaubt; man wird gerettet, wenn man ´den Glauben` mit dem Mund bekennt.
11 Darum heißt es in der Schrift: »Jeder, der ihm vertraut, wird vor dem Verderben bewahrt werden.«
12 Ob jemand Jude oder Nichtjude ist, macht dabei keinen Unterschied: Alle haben denselben Herrn, und er lässt alle an seinem Reichtum teilhaben, die ihn ´im Gebet` anrufen.
13 Denn »jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden«.

14 Nun ist es aber doch so: Den Herrn anrufen kann man nur, wenn man an ihn glaubt. An ihn glauben kann man nur, wenn man von ihm gehört hat. Von ihm hören kann man nur, wenn jemand da ist, der die Botschaft von ihm verkündet.
15 Und die Botschaft kann nur verkündet werden, wenn jemand den Auftrag dazu bekommen hat. ´Genau das ist ja auch geschehen,` denn es heißt in der Schrift: »Was für eine Freude ist es, die kommen zu sehen, die eine gute Nachricht bringen!«

16 Aber nicht alle haben das Evangelium angenommen. Schon Jesaja sagt: »Herr, wer hat unserer Botschaft geglaubt?«
17 Wie wir gesehen haben, setzt der Glaube das Hören der Botschaft von Christus voraus.

Paulus schreibt hier vor allem dreierlei:
Glaube und Verkündigung sind nicht voneinander zu trennen.
Zweitens: Niemand wird ausgeschlossen oder bevorzugt.
Schließlich: Das Evangelium ist der Rede wert!

ERSTENS:
Glaube und Verkündigung sind nicht voneinander zu trennen. Luther übersetzt den letzten Vers darum treffend:
„So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“

Dabei hat Luther ganz sicher nicht „Predigt“ auf die sonntägliche Kanzelrede reduziert. Predigt ist für ihn ohnehin keine Rede; sie ist ein Ereignis, ein Geschehen. Glaube kommt aus dem Wort Gottes: Es dringt von außen an des Menschen Ohr. Etwas, was er so noch nie wahrgenommen hat, kann ihn im Herzen bewegen.

Ob das passiert, hat kein Mensch in der Hand und ist von unendlich vielen äußeren und inneren Dingen abhängig. Davon, ob der Verkündiger des Evangeliums mir sympathisch ist, ob er die richtigen Worte findet, ob ich aufnahmefähig bin, ob das Umfeld stimmt und so weiter und so fort.
Dieselben Worte können treffen, nur wenn sie ein anderer sagt. Dieselben Worte können treffen, nur wenn ich sie nicht heute, sondern morgen höre.

Aber IMMER hat Glaube es mit irgend einer Form von Predigt zu tun. Damit, dass dass jemand einem anderen ein Gotteswort sagt, dass er nicht schon kennt oder begriffen oder verinnerlicht hat. Ein fremdes Wort Gottes dringt an mein Ohr und wird in mir lebendig. Eine Tat rüttelt mich wach, lässt mich nicht unberührt. Das meint Verkündigung des Evangeliums, das meint Predigt.

Jede und jeder muss also eine eigene Form der Predigt finden,
weil jede und jeder seinen persönlich gefunden Glauben weitergeben will: An Kinder, Enkel, Partner, Freunde, Kollegen. In der EIGENEN Art zu predigen.

Denn was nutzt mein Glaube an die Liebe Gottes, wenn ich sie nicht mit anderen teile? Wie groß ist meine  Freiheit, wenn ich Menschen neben mir nach anderen Nothelfern weitersuchen lasse? Wie tief ist meine Zuversicht im Leben und im Sterben wirklich,  wenn sie nicht auch für Menschen um mich herum zur Zuversicht wird?

Wir werden nicht darum herumkommen, die Fragen anderer Menschen zu hören. Dabei müssen wir sehr auf Vokabeln achten, vor allem auf die Worte mit den vielen Bedeutungen. Wir müssen uns mühen, die verschiedenen Bedeutungen offenzulegen. Und unsere Antworten sollten dann deutlich machen, was der Glaube unserem Leben bedeutet. Dabei müssen wir uns in Ausdauer üben, dies wieder und immer wieder zu tun und dabei nach den Worten zu suchen, die der Andere recht versteht.

Aber wir müssen uns auch selbst predigen lassen. Glaube und Zweifel sind ebenfalls Seiten derselben Medaille, gehören zusammen, keiner ist ohne den Anderen zu haben. Darum gilt auch für uns: Glaube setzt das Hören des Wortes Gottes voraus. Für mich, für dich, für jeden.

Für mich kommt das im Tagesevangelium (Mt 25, 21-28) überraschend zur Sprache. Es ist eine der wenigen Stellen, wo nicht Jesus predigt, sondern sich predigen lässt. Nicht von einem Schriftgelehrten oder Pharisäer oder sonst einem frommen Juden, sondern von der Kanaaniterin, kurz und überwältigend. Jesus hört ihre Worte: »Das stimmt, Herr«, erwiderte sie, »aber immerhin fressen die Hunde die Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen.«  Jesus hört die Frau- und wird verändert.

DAS haben wir zu tun, nicht mehr, aber auch nicht weniger:
Hören und reden und tun.
Predigen lassen und predigen.
Den Auftrag dazu haben wir alle- genau so, dass wir ihn auch erfüllen können (Vers 10): man wird gerettet, wenn man ´den Glauben` mit dem Mund bekennt.

ZWEITENS: Niemand wird ausgeschlossen oder bevorzugt.
Im Römerbrief ebenso wie im Tages-Evangelium ist es einerlei, woher die Menschen kommen, es gilt (Vers 12):
12 Ob jemand Jude oder Nichtjude ist, macht dabei keinen Unterschied: Alle haben denselben Herrn, und er lässt alle an seinem Reichtum teilhaben, die ihn ´im Gebet` anrufen.
13 Denn »jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden«.

Es ist also folgerichtig, dass die kanaanäische Frau, die zu Jesus kommt und um die Rettung ihrer kranken Tochter bittet, erleben kann, dass ihre Tochter gesund wird. Sie muss ebenso wenig von Kindesbeinen an Christenlehre, Konfirmandenunterricht und Gottesdienstbesuche hinter sich gebracht haben wie die Menschen damals in Rom oder heute in Hohenbruch oder Brandenburg.

Das bedeutet, dass wir für jeden Menschen hoffen können, dass ihn Gott mit seinem Wort erreicht. Dass wir den Gemeindebrief in seinen Briefkasten stecken, auch wenn er den letzten gleich in die Papiertonne geworfen hat.

Und das gilt nur für jeden ANDEREN Menschen, sondern auch für UNS SELBST. Es ist nie zu schwer, nie aussichtslos und nie zu spät. Auch für uns selbst gilt: Allen, die wann auch immer wo auch immer warum auch immer in Christus das Heil suchen, wird es zuteil werden. Das ist das Ende des Selbstzweifels und der Angst, als Predigender zu scheitern.

SCHLIEßLICH: Das Evangelium ist der Rede wert! (Vers 15b) „Was für eine Freude ist es, die kommen zu sehen, die eine gute Nachricht bringen!“ zitiert Paulus. Gegen die Regeln von Nachrichten und Zeitungen nicht schlechte Nachrichten senden oder drucken. Sondern die Gute Nachricht nicht nur erlebt haben und erleben, sondern von ihr zu reden.

Auch wenn  uns das zunächst merkwürdig vorkommt, so gegen den Zeit-Geist zu schwimmen, der Menschen an Bildschirme fesselt oder bestimmte Zeitungen kaufen lässt, weil man die Bilder der letzten Katastrophe sehen, das Unheil hören muss.

Lasst uns über die GUTE Nachricht reden!
Was wären wir ohne Glauben?
WIE wären wir ohne DIESEN Glauben?

Paulus: 9 Wenn du also mit deinem Mund bekennst, dass Jesus der Herr ist, und mit deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden.

OHNE DIESEN GLAUBEN würden wir immer noch unter der heillosen Überforderung leiden, die es bedeutet, wenn der Mensch sich selbst zum Gott macht. Menschen sind eben nicht Schöpfer und Alleskönner, sondern Individuen mit verschiedensten Gaben. Wir wüssten nicht, dass wir nur die eine einzige Aufgabe haben, Verwalter und Bewahrer zu sein. Und zwar genau dort, wo wir stehen und leben. Wir würden immer unter Leistungsdruck stehen, selbst in Krankheit, selbst im Alter.

OHNE DIESEN GLAUBEN würden wir nie lernen, was wahre Liebe vermag: Sie ist die einzige Kraft, die jeder und jedem Gerechtigkeit widerfahren lässt. Wir würden weiterhin nicht nur für Gottes Liebe leben, sondern immerfort nach Gerechtigkeit SUCHEN müssen, die für alle gilt.

OHNE DIESEN GLAUBEN würden wir die Kraft des Heiligen Geistes nicht kennen, die jeden Menschen Gott finden lassen kann und ihn bewahrt, durch den Tod hindurch. Wir müssten weiterleiden an unserem körperlichen und geistigen Unvermögen, das wir jeden Tag aufs Neue erleben.

Nun aber IST
unser Glaube der Sieg, der diese Welt überwunden hat.
Dieser Glaube lebt in dem Frieden Gottes,
der größer ist als all unsere Vernunft.
Er bewahrt unsere Leiber und Seelen in Christus Jesus in Ewigkeit.
Das lasst uns predigen und dafür um die Kraft des Geistes bitten.
AMEN.

Dieser Beitrag wurde unter Predigten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.