Die Sache mit den Engeln

„Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Sagt der Wochenspruch.

Von einem, der nicht mehr nach vorne sehen wollte, weil ihm die Kraft dazu ausging, erzählt unser Predigttext. Ich lese aus dem 1. Buch der Könige, Kapitel 19 ab Vers 1 in der Lutherübersetzung:

1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! 3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.

4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.

5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! 6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.

8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Glauben Sie an Engel? Eine Umfrage, die ich kürzlich gelesen habe, stellt fest, dass deutlich über die Hälfte der Deutschen an Engel glauben. Das heißt wahrscheinlich, dass ich hier im Gottesdienst keine schwere Überzeugungsarbeit leisten muss.

Mein eigener Glaube an Engel hat sich oft geändert. Zuerst war da zuerst ein Bild aus dem „Schild des Glaubens“, dieser Kinderbibel, die viele noch kennen. Da sah man den Wächterengel mit flammendem Schwert vor dem Garten Eden, der dafür zu sorgen hatte, das Adam und Eva gefälligst im Schweiße ihres Angesichtes ihr Leben fristen mussten.

Also ein Bild für die Macht Gottes, seinen Willen durchzusetzen. Und da der Garten Eden mir vor uns Menschen sicher zu sein schien, hielt ich diese Macht für ziemlich effektiv.

Als ich studierte, spielten Engel dann keine wesentliche Rolle. Im Glaubensbekenntnis kommen sie nicht vor, in meinem Glauben kamen sie auch nicht vor.

Darum sortierte ich sie zur Seite. Ich dachte: Alles Mythologie, vielleicht auch Psychologie. Positive Kräfte im Inneren sollen mobilisiert werden, um Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen. Und dazu hatte ich damals keinen Zugang, vielleicht auch, weil ich es nicht nötig hatte, nach Engeln zu sehen.

Natürlich konnte ich etwas mit der Übersetzung des Wortes Angelos anfangen: Angelos, Engel heißt Bote, auf Gott bezogen Bote Gottes. Und von denen begegnen einem ja eine Menge sehr menschlicher Wesen. Und ich meine nicht nur Pfarrer auf Kanzeln.  Denn Menschen, die auf irgend eine Weise von Gott erzählen, gibt es schließlich eine Menge. Also gibt es sie in jedem Fall, die Engel, solange es irgendwelche Post-Boten Gottes gibt.

Im Laufe meiner Arbeit als Seelsorger habe ich gelernt, größer von Engeln zu denken. Als ich einen Jungen kennenlernte, der an Knochenkrebs starb. Der erzählte mir von seinem persönlichen Engel. „Ich seh’ ihn öfter, manchmal an jedem Tag. Er spricht mit mir, erzählt mir vieles. Darum hab ich keine Angst, ich freue mich aufs Paradies“, sagte er.

Auch seinen Eltern gab dieser Engel ihres Sohnes unerwartet Kraft, diese schwere Zeit zu überstehen. Sie reden heute noch von ihm, von dem Licht, dass er in ihrem kranken Sohn entfachte, und das er ausstrahlte, bis zuletzt.

Das war einer der Engel wie der, der Jesus im Garten Gethsemane an die Seite trat, um ihn zu stärken, wie man es in Lukas 22 nachlesen kann. Engel als überirdische Kraft Gottes, die Menschen in der letzten Not beistehen, sie an der Hand nehmen und in eine andere Welt begleiten.

So einen Engel hat sich wohl auch Elia gewünscht. Elia, der große Prophet. Dessen Name schon Programm war. Eli- Ja, mein Gott ist JHWH.

Elia, der wohl einzige Mensch, von dem die Bibel berichtet, dass er in den Himmel gefahren sei, ohne vorher gestorben zu sein. Also war es folgerichtig, dass viele Menschen dachten, in Jesus sei Elia zur Erde zurückgekehrt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Bücher der Könige aus dem ersten Teil unserer Bibel erzählen uns die Geschichte ihrer Zeit in einer Art, die uns modernen Menschen oft die Haare zu Berge stehen lässt. Menschen voller Gottesfurcht inmitten von Geschichten voller Intrigen, Machtspielereien und Massenmord. Himmel und Hölle sind hier untrennbar miteinander verwoben. Zeugnisse einer Zeit lange vor den modernen Maßstäben unserer Zivilisation.

Dass die Königsbücher auch Propagandaschriften für den Gott Israels sind, können und wollen sie nicht verbergen. Dabei zählen getötete Feinde vor allem nach Masse. Wie in den Kriegswochenschauen. So darf und muss man heute historisch Zweifel anmelden an so manchem, was sie uns berichten.

Das trifft auch die Eliaerzählungen. Auch bei ihm kommen Heilung und Predigt, Fundamentalismus und Massenmord zusammen. Ob beim „Gottesurteil auf dem Karmel“ tatsächlich viele hundert Priester des Baal einzig vom eifernden Propheten Elia ohne Gegenwehr sich haben umbringen lassen, darf getrost bezweifelt werden.

Ohne Zweifel aber kommt es zu handfesten religiösen Auseinandersetzungen beim Sesshaftwerden der Israeliten. Die Gefahr des Abfalls von JHWH, der bisher bei allen Auseinandersetzungen und Wegen auf der Seite der Israeliten stand, ist alltäglich.

Denn Baal ist als mächtiger Konkurrent an seine Seite getreten. Die Natur ist eine Macht, die jedem, auch den Israeliten, begegnet- und Baal ist ihr Gott. Elia aber setzt seinen Gott dagegen, der über alles Werden und alle Vergänglichkeit Herr ist.

Diesen hartnäckigen, sicher auch handgreiflichen Widerstand lässt sich die Königin Isebel nicht gefallen. Sie droht dem Propheten mit dem Tod.

Und Elia weiß, dass Isebel am längeren Hebel sitzt. Jetzt bekommt er Todesangst. Er macht sich auf. Kommt nach Beerscheba. Lässt seinen Diener dort. Er trennt sich von allem, was zu seinem Leben gehörte. Geht dann in die Wüste, tief hinein, eine Tagesreise weit.

Völlig erschöpft verlässt ihn alle Lebenskraft. Er schleppt sich unter einen Wacholder. „Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ Elia will sterben.

Was wünschen sich Menschen, die sich den Tod wünschen? Voller Angst, tief in der Depression? Dass es besser wird, nur weil alles aus ist? Kommt er jetzt, der Engel, der Elia an die Hand nimmt und ihn herausführt aus diesem Leben?

Das Brot ist noch warm. Wasser ist das, wonach wir uns sehnen, wenn sich jeder Luxus von unserem Leben verabschiedet hat.

Gottes Antwort ist einfach. Sein Wunder ist einfach. Dem Wunsch Elias, sein Leben zu beenden, setzt Gott den Anfang allen Lebens entgegen. Nach den Verwirrungen und der Aussichtslosigkeit, in die Elia seine grenzenlosen Pflichten getrieben haben, reißt Gott den Horizont auf, indem er ihn einfach auf sein Menschsein hin anspricht: „Steh auf und iss!“

Dieser Engel führt Elia nicht weg aus dieser Welt. Er kommt zu ihm, zweimal, um ihn zurückzuholen ins irdische Leben. Er lockt ihn mit den Lebens-Mitteln Brot und Wasser. Dieser Engel zieht genau in die entgegengesetzte Richtung, er zieht ins Leben.

Elia hat noch nicht gesehen, was Gott ihn sehen lassen will. gerettet. Es war ELIAS Entscheidung, allein und ohne Möglichkeit der Rückkehr in die Wüste zu gehen. Es ist GOTTES Entscheidung, dass der Weg weit ist, den Elia jetzt durch die Wüste zu gehen hat.

„Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. 8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.“

Die Zahl 40 ist heilige Zahl des völligen Neubeginns. 40 Wochen dauert die Schwangerschaft einer Frau, 40 Jahre ist Israel in der Wüste, 40 Jahre alt wurde -o Wunder- die DDR… 40 Tage und Nächte kann Elia jetzt durch die Wüste gehen, um Gott auf dem Horeb zu begegnen.

Was hat Elia gerettet? Jedenfalls nicht die Stärke des eigenen Willens. Sondern dass er mehrmals „angestoßen“, „angerührt“ wurde. Gott ließ ihm die wiederholte Berührung mit dem Leben zukommen. Die Rettung Elias kam von außen. Sie kam durch einen Engel.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Dass Menschen einander Teufel werden können, muss wohl jeder irgendwann in seinem Leben einmal lernen. Dass sie nicht nur große Namen wie Isebel oder Hitler oder IS haben und auch heute leben und unter uns wohnen, lernt mancher früh, ein anderer spät. Und nicht nur in der Ukraine oder im Irak oder in Nigeria.

Wer aber sein Leben und Sterben Gott anvertraut, wird nicht nur Teufel, sondern auch Engel erleben. Unter dem Wacholder ruft Elia nicht nach seinem Diener oder seiner Mutter. Er ruft nach Gott: So nimm nun, HERR, meine Seele. Gott nimmt sie, stärkt sie und gibt sie ihm zurück. Durch einen Engel.

Sie sind nicht nur Träger der Botschaft Gottes wie der Engel, der Maria die Geburt Jesu ankündigt. Sie begleiten unsere Wege wie den Jesu im Garten Gethsemane oder Elias in der Wüste.

Sie haben meine Wege begleitet, bis hierher in diese Gemeinde, und sie werden eure Wege begleiten. Engel, die Menschen aus Todesstarre lösen. Jemand, der oder die einen anrührt und sagt: „Du! Auf, komm!“  Einem Brot und Wasser bringen, genau die Dinge, die man in der Wüste des Lebens am allernötigsten braucht.

Dass man sich wieder schmeicheln lässt vom Erwachen des Frühlings, den Sonnenstrahlen, dass man den Duft des erwachenden Lebens wieder tief in die Lunge zieht.

Aber auch die Engel, die einen an die Hand nehmen und hinüberbegleiten  von der einen Hand Gottes in seine andere.

Engel leben die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Sie bezeugen Gott, der über alles Bleiben und Gehen, über alles Werden und Vergehen Herr ist.

Engel verschenken den Frieden Gottes, der größer ist als all unser Denken es fassen kann, und der unsere Herzen und Sinne bewahrt in Christus Jesus.

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