Nachdenkliches zur Zukunft der “Reformierten”

Der folgende Text wurde auf der Sitzung des Presbyteriums Hohenbruch/ Brandenburg a.d. Havel am 27. Januar 2021 einstimmig beschlossen.
Er beschreibt unsere Sicht auf unsere Arbeit an zwei Orten, die zwar siebzig Kilometer voneinander entfernt liegen, in den vergangenen Jahren aber zu einer engen Zusammenarbeit gefunden haben.
Die hier dargelegten Positionen haben vor allem zwei konkrete Konsequenzen:
1) Unseren Beschluss zur Fusion der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Hohenbruch und der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde St. Johannis Brandenburg zur „Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde im Havelland“
2) Unsere konkreten Anregungen zur Strukturänderungen in unserer Gemeinde, im Reformierten Kirchenkreis und der Landeskirche.

POSITIONSPAPIER

Unsere Kirchengemeinde:
Evangelisch, reformiert, vor Ort

Wir sind evangelisch und volkskirchlich.
Evangelisch bedeutet, dass wir uns als Teil der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz (EKBO) verstehen und nach ihrer Grundordnung leben.
Volkskirchlich bedeutet, dass uns alle Menschen, die ihr Christsein in unserer Gemeinde leben möchten, als Gemeindeglieder willkommen sind – insbesondere unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Das gilt für Hohenbruch, wo wir uns als Orts-Kirchengemeinde, oder Brandenburg an der Havel, wo wir uns als Personalgemeinde organisieren.

Wir sind reformiert.
Das bedeutet, dass wir uns unseren Wurzeln verpflichtet fühlen.
Sie machen uns zu evangelischen Gemeinden, die ihre Entstehung nicht der lutherischen Reformation verdanken, die von Wittenberg ausging, sondern anderer reformatorischer Strömungen. Insbesondere sind hier die in der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich („Hugenotten“) zu nennen. Einwanderer aus diesen Ländern haben unsere Gemeinden einmal gegründet. Auch die oberdeutsche Reformation hat zur Gemeindegründung beigetragen. Einfluss auf unser theologisches Denken haben aber beispielsweise auch reformatorische Strömungen aus Böhmen, Mähren oder England.

Damit unterscheiden wir uns in einigen Bereichen unseres Gemeindelebens deutlich von den anderen Gemeinden unserer Landeskirche, die zumeist lutherische Wurzeln haben; dennoch fühlen wir uns ihnen theologisch nah und arbeiten mit ihnen zusammen. Diese Zusammenarbeit liegt schwerpunktmäßig in den Bereichen, in denen eine eigene Arbeit vor Ort kaum noch sinnvoll möglich ist, vor allem in der Arbeit mit Kindern ab Klasse 3, mit KonfirmandInnen oder in der Kirchenmusik.

Wir sind vor Ort.
Das bedeutet, dass wir unser finanzielles und geistliches Vermögen in die Gemeindearbeit vor Ort investieren. Unsere Gebäude und Liegenschaften sind ein für alle sichtbares Zeichen unserer Existenz und Heimat für unseren regelmäßigen Dienst.
Dabei sind die Herausforderungen sehr unterschiedlich. Während in Hohenbruch neu Zugezogene oft erstmals Kontakt zu reformierter Tradition haben, sind die meisten Gemeindeglieder in Brandenburg nach einer bewussten persönlichen Entscheidung Teil der Gemeinde geworden. Während in Hohenbruch auch nach erst kürzlich realisierter Abgabe von historischem Pfarrhaus und denkmalgeschützer Scheune in Erbbaurecht relativ viele Gebäude, darunter eine denkmalgeschützte Kirche mit denkmalgeschützter Orgel sowie Freiflächen und ein Friedhof erhalten werden müssen und Pachtflächen vor allem landwirtschaftlich genutzt werden, ist es in Brandenburg nur das Pfarrgemeindehaus mit großem Garten in der Altstadt, und die Pachtflächen sind zumeist kleingärtnerisch genutzt.

Unserem künftigen Gemeindeleben erhalten möchten wir
Gottesdienste, Bildungsangebote und Seelsorge
unter Mitarbeit einer Pfarrperson.

GOTTESDIENSTE bleiben Zentrum unserer Arbeit.
Unsere reformierte Gottesdienstform unterscheidet sich deutlich von denen unserer Nachbargemeinden, unseren Gottesdienstbesuch kann man als überdurchschnittlich beschreiben.
Das bedeutet, dass es auch weiterhin in Brandenburg sonntäglich und in Hohenbruch mindestens vierzehntägig Gottesdienste geben soll. Dazu kommt monatlich ein Gottesdienst in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens in Brandenburg. Gottesdienste sind unser „Markenzeichen“. Ein Problem bleibt dabei, dass wir dabei nicht auf (reformierte) NachbarpfarrerInnen zugreifen können; auch solche im Ruhestand haben zumeist sehr weite Wege zu uns, vor allem nach Hohenbruch, das schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist.
Eine aktive Lektorenarbeit, angeleitet durch die Pfarrperson, erleichtert uns die Gottesdienstgestaltung und ermöglicht die Durchführung von Gottesdiensten, wenn Pfarrerpersonen nicht beauftragt werden können. Kirchenmusikalisch leben wir aus einer Mischung von ehrenamtlichem Engagement und der Nutzung technischer Möglichkeiten. Letztere sollten durch die reformierte Gemeinschaft eine Aufwertung erfahren, insbesondere durch die Einspielung aller Gesangbuchweisen in eine Audiodatenbank, die per CD oder online allen Gemeinden zur Verfügung steht und auch dann kirchenmusikalische Begleitung möglich macht, wenn keine haupt- oder ehrenamtlichen Musiker*Innen zur Verfügung stehen.
Hervorzuheben ist dabei die Arbeit des Posaunenchores Hohenbruch, die durch den Leiter des Posaunenchores Kremmen verantwortet wird und ohne die die Zusammenarbeit mit anderen Posaunenchören der Nachbarschaft nicht mehr funktionieren würde. Die Auftritte dieses Chores insbesondere zu Pfingsten, Erntedank oder Weihnachten machen die jeweiligen Gottesdienste in Hohenbruch zu Höhepunkten im Kirchenjahr.
Die Zukunft unseres Kirchenchores in Hohenbruch, der bis zur Corona-Pandemie noch mehrere Gottesdienste im Jahr in Hohenbruch mitgestaltete, erscheint im Moment sehr ungewiss.

Zwischen den Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen arbeiten wir an BILDUNGSANGEBOTEN, die möglichst viele Personen im Erwachsenenalter ansprechen. Das sind wöchentliche Bibelgesprächsabende bisher nur in Brandenburg, monatliche Gemeindenachmittage in Hohenbruch und Brandenburg sowie offene Gesprächsabende, bisher quartalsweise nur in Brandenburg. Hier sind theologische, auch spezifisch reformierte Themen bestimmend. Diese sind ohne Pfarrperson nicht weiter durchführbar.

Menschen aller Altersstufen, auch solche, die nicht eingeschriebene Gemeindeglieder sind, nutzen das pfarramtliche Angebot der SEELSORGE. Dabei ist uns die verpflichtende und juristisch gesicherte Wahrung des Seelsorge- und Beichtgeheimnisses besonders wichtig geworden. Zunehmend gibt es inzwischen auch sehr viele Seelsorgekontakte, die alternative Kommunikations- formen mit unserem Pfarramt regelmäßig nutzen (z.B. Telefon, Mail, Messenger). Professionelle Seelsorge ohne Pfarrperson wäre nicht weiter durchführbar.

Darum setzen wir uns weiterhin
für eine effektive Leitungsarbeit im Presbyterium
und den Fortbestand des Reformierten Kirchenkreises ein.

Unser gemeinsames PRESBYTERIUM tagt monatlich sowohl in Hohenbruch als auch in Brandenburg. Dabei trägt unsere Geschäftsordnung dafür Sorge, dass die spezifischen Belange der einzelnen Orte angemessene Berücksichtigung finden. Seit der Zusammenführung hat das Presbyterium außer der Pfarrperson sechs Älteste und zwei Ersatzälteste; das scheint uns zukunftsorientiert zu sein. Der Vorsitz liegt derzeit bei einem Ältesten, der mit der Pfarrperson eng zusammenarbeitet; diese Zusammenarbeit ist für uns nicht nur ordnungsgemäß geboten, sondern auch wichtig.
Um den Kontakt zwischen Presbyterium und Gemeinde möglichst eng zu halten, gibt es mindestens jährlich Gemeindeversammlungen und alle drei Jahre Wahlen zum Presbyterium; das gilt für beide Orte.
Die Fürsorge für Gebäude und Grundstücke sowie Wirtschafteraufgaben werden ehrenamtlich und in enger Zusammenarbeit mit dem KVA Eberswalde zuverlässig wahrgenommen.

Der REFORMIERTE KIRCHENKREIS ist für uns für die Wahrung unseres reformierten Profils wichtig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei Begleitungen durch Pfarrpersonen ohne reformierte oder reformatorische Ordination dieses reformierte Profil sehr schnell in Vergessenheit geraten kann. So hat die jahrzehntelange Begleitung in Hohenbruch durch lutherische Pfarrer vor 1951 dazu geführt, dass die Gemeinde um 1950 sich nur noch dem Namen nach von ihren Nachbargemeinden unterschied. Wir wollen darum dazu beitragen, die inhaltliche Arbeit von Synode und Kirchenkreis fortzusetzen und auf eine solidere finanzielle Basis zu stellen.

Wir suchen engere Zusammenarbeit mit den anderen Gemeinden
des Reformierten Kirchenkreises und der Französischen Kirche zu Berlin.

Während des Zusammenwachsens des Presbyteriums haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, aufeinander zuzugehen und miteinander weiterzugehen. Das betrifft nicht nur die Leitungsarbeit im Presbyterium, sondern auch die Zusammenarbeit in anderen Bereichen (Gottesdienste, Feste, Konzerte, Bau). Darum haben wir die Fusion unserer beiden bisher selbstständigen Gemeinden zur „Evangelisch-Reformierte Kirchengemeinde im Havelland“ beschlossen. Wir sind uns sicher, dass Hohenbruch und Brandenburg in dieser neuen Gemeinde ihre spezifischen Ausrichtungen vor Ort wahren und ausbauen können.
Eine engere Kooperation mit den Gemeinden in unserer räumlichen Nachbarschaft erscheint für uns nicht ratsam. Einerseits sprechen die Erfahrungen in Hohenbruch vor 1951 dagegen, andererseits das gültige Pfarrstellenbesetzungsrecht: Wir hätten keinerlei ernstzunehmenden Einfluss mehr auf die Besetzungen der Pfarrstellen, die ja mit dafür zuständig wären, unser reformiertes Profil zu bewahren. Einer weiteren Fusion mit anderen bevorzugt ländlichen Gemeinden des Reformierten Kirchenkreises stehen wir aber offen gegenüber.

Angesichts des Scheiterns des Haushaltsbeschlusses auf unserer Herbstsynode 2020 sehen wir die Notwendigkeit, Strukturen zu straffen und den Haushalt auf eine solide Basis zu stellen. Wir sehen, dass für die Arbeit zwei Pfarrstellen auf der Fläche des Reformierten Kirchenkreises notwendig sind. Finanzierbar aber sind sie nur mit Unterstützung durch die Landeskirche.

Wir regen darum an:

  • Schaffung zweier landeskirchlicher Pfarrstellen für den reformierten Kirchenkreis; eine für den ländlichen Bereich, eine für den Großstadtbereich. Dafür sind wir bereit, auf „unsere“ Pfarrstelle und sämtliche diesbezügliche Finanzzuweisungen dauerhaft zu verzichten, wenn diese der Landeskirche für die Finanzierung dieser Stellen zur Verfügung gestellt werden. Die Anbindung an die EKBO erscheint uns wichtig, damit die Arbeit des Reformierten Kirchenkreises landeskirchlich nicht nur wahrgenommen, sondern auch angemessen und geregelt unterstützt werden kann.
  • Dabei muss mit der Landeskirche auch nach einer Lösung für das Problem gesucht werden, damit künftig alle „reformierten“ Gemeindeglieder in der EKBO, also auch die außerhalb der Gemeinden des Reformierten Kirchenkreises oder der Französischen Kirche zu Berlin, zu einer regelmäßigen finanziellen Unterstützung der Arbeit des Reformierten Kirchenkreises beitragen.
  • Der Pfarrkonvent, in dem sich die Pfarrpersonen aus dem Reformierten Kirchenkreis und der Französischen Kirche zu Berlin zu ihren Dienstberatungen treffen, sollte auf dieser Basis ein Gesamtkonzept für die Durchführung der Predigtdienste auf allen Predigtstellen von Reformiertem Kirchenkreis und Französischer Kirche zu Berlin erstellen. Ein geregelter „Kanzeltausch“ würde die Gemeinden weiter zusammenwachsen lassen und unsere Gottesdienste bereichern.