Kein Ende der Freiheit (Mt 12, 38ff)

Glauben
den klugen Menschen unklug geworden
weggeschoben aus dem selbstbestimmten Leben
hingeschoben in die Welt der Klöster und Kirchen
ewig gestrig

wer aber GOTT glaubte
würde sie finden
Heimat in seiner ewigen Stadt
Gerechtigkeit für alle
in seiner Liebe für seine Welt

Gott erweist seine Liebe zu uns darin,
dass Christus für uns gestorben ist,
als wir noch Sünder waren.
Römer 5,8
***
Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern haben wir eben gehört (Mk 12, 1-12). Auch das Bild vom Weinberg des Herrn Zebaoth nach Jesaja (5, 1ff) gehört zu den Texten dieses Sonntages.

In beiden Texten geht es um ein altes Problem. Egal, wo es nun klemmt, bei den Trauben, die trotz guter Pflege durch den Weinbergbesitzer ungenießbar bleiben, oder bei den Pächtern des Weinbergs, die zwar alles nehmen und nichts geben, es bleibt immer gleich: Gott darf von den Menschen „positiven Ertrag“ erwarten, schließlich schenkte er ihnen alles, was ein gutes Leben ausmacht. Aber es gibt nur Ärger mit den Menschen. Schlechte Trauben. Mordende Pächter.

Damit sind wir wieder genau da, wo wir am vergangen Sonntag waren. Bei der Geschichte vom „Sündenfall“ im Garten Gottes, die Ähnliches beschreibt: Menschen wollen, so lange diese Welt besteht, von Gottes Empfehlungen für ihr Leben nur sehr selten etwas wissen. Sie tun lieber meist das, was SIE gerade für richtig halten.

Allerdings war die Lage schon für die ersten Menschen kompliziert. Denn Gott lässt die Menschen schon von Anfang an in FREIHEIT leben. Darum zwingt er sie zu nichts. Er lässt nur HÖREN, was er den Menschen für ihr Leben empfiehlt:

Von diesem Baum solltet ihr nicht essen. Ihr solltet nicht töten, nicht stehlen, nicht falsch Zeugnis reden. Ihr solltet keine anderen Götter haben neben MIR. Dann würde für euch alles gut werden. Solltet.

Es ist schon ein Kreuz mit der Freiheit. Lässt man sich auf den Weg des Glaubens ein, folgt man den Empfehlungen Gottes, traut man seinem Sohn, dessen Leben durch Hinrichtung endete und dessen Auferstehung wieder Glaubenssache ist? Oder geht man einen anderen Weg?

Wie soll man umgehen mit den vielen Tiefen, die das Leben für für den Glaubenden genauso wie für jeden anderen bereithalten kann? Belegen die nicht, dass es der Christ auch NICHT besser hat als die anderen?

Könnte Gott einem nicht einmal präzise sagen, wo es langgegen soll? Ein Zeichen geben, nicht nur unübersehbar, sondern unwiderlegbar? Denn was nützen Wunderberichte, wenn man nicht selbst dabei war? Und was nützen einem die Wunder, die man selbst erlebt, wenn man den eigenen Ohren, Augen und Gedanken nicht trauen kann?

Es ist eben KEIN Wunder, dass Menschen zu allen Zeiten ZEICHEN von Gott erwarten. Und man sollte auch nicht zu laut sagen, das erwarteten nur die anderen. Die Nichtchristen oder Agnostiker. Denn selbst die Zeichen, die man an eigenem Leibe erlebt und als Gotteszeichen für sich verbucht HAT, haben nur eine begrenzte Halbwertzeit.

Da hat einer seinen Tod in rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen sehen, nachts auf der Autobahn. Das Auto danach nicht mehr wiederzuerkennen. Gottes schützende Hand hat ihn überleben lassen, gemessen an der Wucht des Unfalls mit nur kleinsten Kratzern.

Aber 10 Jahre später: Die Erinnerung an diesen Moment verblasst mehr und mehr, das überwältigende Gefühl der Bewahrung auch, der Alltag hat einen wieder, die Glaubenszweifel auch. Gott, warum hilfst Du uns nicht? Damit wir mit der Freiheit, die uns so viel wert ist, wieder klarkommen?

Natürlich weiß jeder: Entweder ganz oder gar nicht.
Entweder frei oder unfrei.
Ein bisschen frei gibt es nicht. Ein bisschen schwanger gibt es ja auch nicht. Aber: Gott, warum gibst Du uns nicht ein Zeichen?
Unübersehbar?
Unwiderlegbar?
Nur eins pro Jahr!?

Jesus heilt einen Kranken. Blind und stumm war er. Von einem Dämon besessen, da waren sich alle sicher. Jesus bringt die Welt wieder in Ordnung. Für den Kranken jedenfalls.

Viele Zeugen aber bringt diese Heilung um ihren Verstand. Was sollen sie davon halten? Ist dieser etwa der Messias? Die Gelehrten sagen: Alles Schwindel. Der treibt den Teufel mit dem Ober-Teufel aus. Nichts ist in Ordnung.

Jesus sagt: Wenn man den Teufel mit dem Ober-Teufel austreiben könnte, wäre der Böse doch machtlos. Sein Reich wäre keinen Cent wert, seine Macht am Ende.

Einige von den Gelehrten macht das zumindest einmal nachdenklich. Und die sagen dann zu Jesus, ich lese den Predigttext aus Matthäus 12 ab Vers 38 in eigener Übersetzung:

38 … „Lehrer, wir wollen von dir ein Zeichen sehen, das eindeutig beweist, dass du von Gott beauftragt bist!“
39 Jesus erwiderte: „Nur Menschen, die von Gott nichts wissen wollen, verlangen einen Beweis! Aber es wird ihnen keiner gegeben werden – ausgenommen das Wunder, das am Propheten Jona geschah: DIESEN Beweis WERDEN sie bekommen.  40 So wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte in (dem Herzen) der Erde verborgen sein…“

Es ist offensichtlich: Jesus WILL kein Zeichen geben.
Jedenfalls kein anderes, als er bisher bereits gegeben hat.
Er hat nach vierzig Tagen in der Wüste
allen Versuchungen des Teufels vom Hunger bis zum Machtmissbrauch widerstanden.
Er hat Menschen geheilt, wie krank sie auch waren.
Er hat eindrucksvoll gepredigt, vielen Menschen so das Wort Gottes erschlossen.

Aber all das scheint den zweifelnden Gelehrten nicht zu reichen. Vielleicht haben sie nur davon gehört. Oder sie sind allem Augenschein zum Trotz nicht überzeugt.

Den Versuchungen des Teufels hat er widerstanden-
doch das Böse ist immer noch da.
Blinde sehen, Lahme gehen, weil er heilt-
doch die Welt ist weiter voller schwerer Krankheit und frühem Tod.
Menschen sind durch ihn begeistert und von Gottes Wort erfüllt-
doch viele suchen weiter nach dem Messias
oder fragen überhaupt nicht nach dem was Gott zu sagen hat.

Darum wollen sie ein Zeichen der Kraft und der Stärke Gottes. Unübersehbar.
Unwiderlegbar.
Wie das aussehen soll, sagen sie nicht.
Sehr wahrscheinlich wüssten sie das selbst nicht.

Jesus WILL ein solches Zeichen nicht geben.
Oder KANN er das gar nicht?
GIBT es ein solches Zeichen überhaupt, dass die Freiheit der Menschen nicht zerstört und dennoch die Macht Gottes unzweifelhaft beweist?
IN DIESER WELT?

Eine Tür scheint Jesus jedoch offen zu lassen: Das Zeichen des Jona soll ihnen vergönnt sein. Ein merkwürdiges Rätsel. Viele werden sich erinnern, dass vor einem guten Jahr dieses kurze Buch des Alten Testaments an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen Thema war.

Die Zustände in Ninive bringen Gott auf den Plan. Er beschließt, der Stadt eine Frist zu setzen. In dieser Frist von 40 Tagen soll der Prediger Jona versuchen, den Menschen in der Stadt klar zu machen, dass ihr Lebensstil mit Gottes Willen so wenig zu tun hat, dass der Tod ihnen näher ist als das Leben.

Jona aber verspürt nicht die geringste Lust, diesen Predigtauftrag anzunehmen. Er kann sich schließlich auch mit weniger Aufwand lächerlich machen. Er läuft davon. Doch Gott holt ihn ein, wohin er auch geht.

Schließlich müssen ihn die Matrosen seines Flüchtlings-Schiffes ins Meer werfen, um dem eigenen Untergang zu entgehen.
Doch Jona ertrinkt nicht im Sturm, sondern schwimmt im Magen eines großen Fisches zurück, wird an Land gespien und geht, von Gottes Argumenten erschlagen, zum Predigen nach Ninive.

Jona, einer, der Prophet sein sollte, aber von Gott davonlief, den Gott aber nicht davonkommen ließ, sondern den er sogar im Bauch des Fisches bewahrt. Das allein schon ein Wunder. Aber noch ein Wunder geschieht: Die Leute hören die Predigt – und stellen ihr Leben um. Ninive geht nicht unter, ihre Bewohner sind gerettet.

Meine Schwestern, meine Brüder:

Einen Gottes-Beweis, wie ihn die Gelehrten und so viele vor oder nach ihnen als „Zeichen“ suchen, wird es in einer Welt der Freiheit nie geben. Denn sonst wäre alle Freiheit dahin. Aber der Glaube bleibt nicht ohne Zeichen. Er hat das „Zeichen des Jona“, wir haben Jesu Passion.

Die ist natürlich kein Machterweis, mit der Machtfülle irdischer Herrscher vergleichbar und messbar. Das, was unseren Glauben an Gott begründet, ist noch größer, indem es das Gegenteil ist. Es ist die Selbsterniedrigung Gottes am Kreuz.

Jona mit seinem märchenhaften Schicksal ist nur ein Zeichen für mehr, ein Zeichen für Jesus. Wie Jona wird auch Jesus drei Tage und Nächte wie von der Erde verschluckt sein. Aber noch mehr als Jona wird er nicht nur lebendig im Fischbauch, sondern tot im „Herzen der Erde“, im eigenen Grab liegen.

Gott im Reich des Todes, so wie wir alle einmal im Reich des Todes ankommen werden- und doch so anders. Denn für uns Menschen ist das Reich des Todes das Ende all dessen, was für uns „Leben“ bedeutet. Da wird alle Kraft aus uns gewichen sein. Da sind wir am Ende all unseres Lateins.

Nicht so Gott. Er hat die Macht, nicht nur Jona aus dem Bauch des Fisches an Land zu speien. Er hat die Macht, selbst den Tod unter sich zu lassen.

Dafür ist das Kreuz sein Zeichen. Natürlich ein ganz anderes Zeichen, als es die Gegner Jesu fürchten und mancher von uns erhofft. Es ist kein Zeichen, das die ungläubigen Gegner triumphal in die Knie zwingt. Es ist das Zeichen, dass Gott selbst tief in die Knie geht. So tief, dass er uns vom endgültigen Tod erretten kann, nämlich von einem Leben ohne Gott. Das Kreuz ist das Zeichen seiner Leidenschaft für DAS Leben, dass er für uns Menschen bereithält. Ninive wird gerettet, wir sind gerettet. Das ist WAHRE Liebe.

Und auch wenn Jesus hier nicht darüber spricht: Die Jonageschichte ist mit der Rettung Ninives noch nicht am Ende.
Aber das musste Jesus auch gar nicht sagen, denn jeder wusste das.

Schon Jona verstand das Zeichen Gottes nicht. Jona fühlte sich missbraucht. Gott hatte wahrscheinlich niemals ernstlich vorgehabt, die Stadt untergehen zu lassen. Ich habe mich umsonst ins Zeug gelegt. Genau das habe ich kommen sehen. Schlecht gelaunt zieht er von dannen.
Die Rettung aus dem Fischmagen? Lange her.

Aber Gott lässt für ihn ein weiteres Zeichen folgen. Er lässt Jona in nur einer Nacht einen Schatten spendenden Rizinus wachsen. Der bewahrt ihn vor der Hitze des Sommers. Jona freut sich, und Klaus-Peter Hertzsch dichtet:

„Er streckt sich aus im Sommerwetter/ und sah die Sonne durch die Blätter/ Ja sagte er – so ists gemütlich, /die ganze Welt war schön und friedlich. / Doch ach – schon in der nächsten Nacht, / noch eh der Jona aufgewacht / da kam ein giftger Wurm gekrochen / der hat den Rizinus gestochen.
Als Jona vor die Türe trat/ ein heißer Morgen war es grad / erschrak er sehr und sah sofort/ Sein Rizinus war ganz verdorrt.
Die Blätter hingen schlapp und braun,/ ganz kahl und traurig anzuschaun./ Die Sonne stach, ein Wind ging heiß./ Der arme Jona stand in Schweiß.
Da weinte er. Da sagte er:/ Ach wär ich tot! Ich kann nicht mehr.“

Jona will am liebsten sterben. Doch Gott lässt nicht locker, und so sagt Gott in dem Gedicht zu Jona:

„Jetzt weinst Du, weil dein Baum verdorrt, /den du nicht wachsen lassen kannst / und den du nicht mal selbst gepflanzt./ Da sollte ich die Stadt nicht schonen,/ in der so viele Menschen wohnen? / so viele Eltern, viele Kinder, /so viele arme, dumme Sünder? / So viele fröhliche Gesellen, dazu die Tiere in den Ställen?/ Vielleicht, für dich zum guten Schluss,/ wächst bald ein neuer Rizinus!/ Bestimmt wirst Du dich an dem neuen/ genauso wie am alten freuen!“

Und da, liebe Gemeinde,  sind wir noch tiefer im Geheimnis des Jona- Zeichens:

Ninive, Jona und nicht zuletzt wir alle können froh sein, dass die Zeichen der Allmacht Gottes erst am letzten Tage dieser Welt deutlich werden. Denn kein Mensch hätte dafür wirklich gute Karten in der Hand, damals nicht, heute nicht. Nicht einmal Luther, Bonhoeffer oder Mutter Theresa.

Gott überlässt uns nicht uns selbst, unseren Leiden, unserer Unvollkommenheit, unserer Unbeständigkeit. Ninive nicht, Jona nicht, uns nicht. Er lässt auch unsere Welt nicht untergehen.
Das ist das Zeichen, was wir Menschen von Gott erwarten dürfen: Das Zeichen seiner Leidenschaft für seine Schöpfung. Gott geht uns nach, wohin wir auch gehen. In einer Stärke, die unüberbietbar ist: Hier ist mehr als Jona, hier ist mehr als Salomo. Hier ist sein Sohn am Kreuz.

Christus ist für uns gestorben, weil Gott unser Erden-Leben in Freiheit NIEMALS der Willkür menschlicher Macht und Gewalt opfern wird.
Das Ende der Macht menschlicher Willkür und Gewalt,
die Jesus am Kreuz besiegelt,
ist das Ende von allem,
was je zwischen uns und Gott stehen kann.
ER geht uns nach.

Gott erweist seine Liebe zu uns darin,
dass Christus für uns gestorben ist,
als wir noch Sünder waren.
Das lässt uns weiter in Freiheit leben.
Amen.

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