Das Geheimnis des Triumvirats

(2. Kor 13,13)

Nach außen traten die drei Herren stets einmütig und geschlossen auf. Sie standen an der Spitze eines weltweiten Unternehmens und führten es so, seit man sich erinnern konnte:
Sie waren ein Herz und eine Seele.

„Das Triumvirat“ wurden sie genannt,  „Dreimännerherrschaft“ heißt das zu Deutsch. Aber wie das auf dieser Welt immer so ist:
Die einen nutzten diese Bezeichnung voller Verwunderung, die anderen mit unverhohlenem Spott.

Es war ganz und gar unmöglich, einen der Drei gegen den anderen auszuspielen. Selbst mit allen Wassern gewaschenen Journalisten gelang es nicht, einen Keil zwischen die drei zu treiben. Sie galten als unbestechlich, unbezwingbar und einig –
zumindest was ihren Charakter anging.

Mit ihrem äußeren Erscheinungsbild war das allerdings etwas anders.

Der Älteste der Drei, ein Mann mit wallendem weißem Haupthaar und gepflegtem Vollbart, war von geradezu sichtbarer väterlicher Güte und Strenge.

Er war der Gründervater des Unternehmens, die graue Eminenz, ein Herr von alter Schule. Gelegentlich wirkte er unnahbar, und Kritiker warfen ihm nicht selten Allmachts- Allüren vor.

Der Zweite hätte sein Sohn sein können. Eine gewisse Ähnlichkeit
war auch nicht von der Hand zu weisen. Aber man weiß ja, wie das ist: Ein Dackel hat auch irgendwann Ähnlichkeit mit seinem Herrchen – manchmal ist es gar umgekehrt.

Also wusste niemand wirklich mit Sicherheit, in welchem Verhältnis die beiden tatsächlich zueinander standen.
Natürlich gab es Gerüchte, dass er ein uneheliches Kind sei. Jedenfalls agierte er in aller Öffentlichkeit wie der Sohn und Erbe.

Er war stets der Vermittler und berühmt für sein Verhandlungsgeschick mit Partnern aller Art. Er schlichtete Streitigkeiten und ging Problemen nur selten aus dem Weg. Suchte einer einen Schlichter – bei ihm war er richtig.

Man rühmte seine Menschlichkeit im harten Geschäftsalltag.
Es hieß, er habe sich als Kind kleiner Leute von ganz unten hochgearbeitet. Andere wollten gar wissen, dass er eine kriminelle Vergangenheit hinter sich und jahrelang auf der Straße gelebt hatte. Ohne Zweifel: Er kannte sie, die dunklen Seiten des Lebens, aus hautnaher Erfahrung.

Der Dritte im Bunde war zugleich der Rätselhafteste. Er passte am wenigsten ins Bild erfolgreicher Firmenlenker. Ein Luftikus, ein Tausendsassa, mehr Künstler als Manager, in stets wechselnder origineller Garderobe, einer, der von Ideen sprüht, der mit dem kreativen Potenzial.

Setzten gelegentlich Feministinnen dem Dreiergespann durch gezielten Beschuss und hartnäckiges Bohren zu, wann endlich eine Frau als Vierte in den heiligen Zirkel aufgenommen würde –
so konnte es durchaus geschehen, dass der Dritte bei seinem nächsten Auftritt je nach Gelegenheit im Kostüm oder im Abendkleid einen hinreißenden Auftritt gab.

„Die weibliche Seite des Unternehmens“, titelten begeistert die einen. Die anderen äußerten sich kopfschüttelnd oder naserümpfend über derlei Eskapaden.

Die internen Besprechungen des Dreiergespanns fanden sämtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und obwohl unter Presseleuten und bei der Konkurrenz horrende Summen gehandelt und gar die NSA ausgeschickt wurde, war es bisher noch keinem gelungen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Dennoch wurde gemunkelt, dass es bei diesen Sitzungen hoch her ginge. Das Geheimnis des geschlossenen Auftretens nach außen bestünde in einer unglaublichen Dynamik der internen Auseinandersetzungen.

Sprach man einen der Drei darauf an, wer denn nun der Chef im Ring sei, erntete man in der Regel ein freundliches Lächeln und die unglaubliche Auskunft, es gäbe keinen Chef, sie seien alle Drei völlig gleichberechtigt.

Ein Experte schrieb einmal, dieses Team sei im Laufe der Jahre so perfekt geworden, dass sie getrost auch mit gebrauchten Ratschlägen hätten handeln können – ihr Unternehmen wäre mit Sicherheit nicht weniger erfolgreich gewesen als jetzt.

Besonders das WELTWEITE Auftreten, das von Anfang an in die Unternehmensstrategie gehörte, hätte sich über die Jahre als eine völlig richtige Entscheidung herausgestellt.

Denn immer dann, wenn beispielsweise wie in diesen Tagen der europäische Teil in Schwierigkeiten geriet, lief es an anderen Orten der Welt – wie gerade heute in Nordamerika – umso besser.

Zu existenziellen Schwierigkeiten war es deshalb eigentlich noch nie gekommen. So stellt man sich heute recht verstandene Globalisierung vor.

Es gab nicht wenige Entscheidungen im Unternehmen, die zunächst bei allen Beobachtern Köpfeschütteln hervorriefen.

So ließen die drei Herren den Teilen ihres Unternehmens eine derartige Fülle von Freiheiten, dass mancher hätte den Eindruck gewinnen können, es seien gar keine Filialen, sondern echte Konkurrenten.

Diese mussten sich nicht einmal auf eine vorgegebene Führungsstruktur einschwören lassen: Von monarchischen bis kollektiven Leitungsformen ist alles zu finden. So können sich die Mitarbeiter aussuchen, was ihrer eigenen Auffassung am nächsten liegt. Einzige Bedingung: Loyalität zum Führungstrio.

Die Geschichte gab dem Triumvirat auch in dieser Sache Recht:
Fruchtbarer Streit in den eigenen Reihen ist eben besser als Meinungsaustausch in Despoten – Manie. Da etwa, wo man mit seiner Meinung zum Chef geht und mit dessen Meinung wieder zurückkommt.

Heute haben dieses Rezept Markenfreiheit viele kopiert: Ob Penny, Toom- Baumarkt, Selgros, Atlasreisen oder ITS- Touristik: All die und noch viel mehr gehören unter das Dach der REWE- Gruppe – und verkaufen nicht nur Lebensmittel.

Für uns Männer ein Beispiel der Autoindustrie: Wer kann schon sehen, dass Jeep, Ferrari oder Maserati zu FIAT gehören?

Gelernt haben diese und viele andere Konzernchefs das eigentlich von den drei Herren – auch wenn sie das offen sicher nie zugeben würden.

Nicht selten wurden die Drei als Spaßbremsen verschrien. Wer sich allerdings die Mühe machte, einmal genauer hinzusehen oder – zu hören, konnte feststellen:

Hier ging es nie in erster Linie darum, Spielverderber zu sein, sondern darum,  die Achtung vor dem Anderen und seinem Leben zu wahren. Eine Grenze, die mancher noch nicht einmal wahrgenommen hat.

Ein weiteres Rezept der drei: Denke nie, dass Du dein Gegenüber wirklich kennst. Mach dir kein Bild von ihm, damit du selbst nicht aus dem Rahmen fällst – also reinfällst. Das erspart dir die ständige Enttäuschung und Neuorientierung.

Dass sich bei so guter Führung im Unternehmen keine Fehler eingeschlichen hätten, kann man allerdings nicht sagen. Ethisches Fehlverhalten wie beispielsweise Korruption oder Kuschelkurse mit Diktatoren oder einfach nur Trägheit.

Oder Finanzengagement in zwielichtigen Geschäften, sogar mit Waffen. Auch Kapitaldelikte wie Folter, Mord oder Anstiftung zum Krieg waren darunter.

Aber das Trio war sich in einem immer einig: Menschen, ohne Fehl und Tadel – die findet man nirgends auf der Welt.

Darum galt für sie: Man kann im Leben nur das wirklich ändern, was man liebt. Selbst Engel muss man gebrauchen, wie man sie findet. Das wurde denn auch ihr erster Firmengrundsatz.

Neulich habe ich einen der im Weltmaßstab so unterbezahlten deutschen Manager sagen hören: Mit dieser Gefühlsduselei lässt sich aber kein Gewinn machen, der die Firma auf Dauer über Wasser halten würde.

Aber gerade Eltern werden mir zustimmen, wenn ich sage: Wenn Kinder das Gefühl haben, selbst dann nach Hause kommen zu können, wenn sie etwas wirklich Schlimmes angestellt haben – dann ist etwas gewonnen, das alle selbst dann über Wasser hält,
wenn gar kein Geld mehr in der Kasse ist.

Und wenn genau das auch draußen, außerhalb der Familie, gelten würde, ginge es Millionen Menschen besser.

Mir persönlich ist dieses Trio sehr sympathisch. Je länger ich darüber nachdenke, desto schöner finde ich, dass sie gerade drei sind. So wird es in ihren internen dynamischen Sitzungen bei Grundsatzentscheidungen wenigstens immer
eine klare Zweidrittelmehrheit dafür oder dagegen geben.

Wären die drei nur zwei gewesen – Wie oft wäre es wohl zum Patt gekommen! Und außerdem: Auf keinen von den dreien, so wie ich sie kennengelernt habe, würde ich im Team wirklich verzichten wollen.

Wären die drei gar nur einer gewesen: Viele Sympathien, die es heute hat, hätte das Unternehmen gar nicht erst bekommen.

Und wären sie mehr als drei: Ich glaube, wir müssen nur in die Politik sehen, um zu wissen, dass sie es dann noch schwerer gehabt hätten, ihr Schiff auf Kurs zu halten.

Warum ich das alles hier im Gottesdienst erzähle?

Wie sagte doch Jesus vorhin zu Nikodemus:
Wenn ich vom IRDISCHEN zu euch rede, und ihr glaubt nicht, wie werdet ihr da glauben, wenn ich vom HIMMLISCHEN zu euch rede?

Darum das Beste, also das unfassbar Himmlische, zum Schluss:  Die drei führen „ihren Laden“ seit inzwischen zweitausend Jahren. Und sind dabei nicht wirklich älter geworden. Das macht den unüberbietbaren Charme ihres Unternehmens aus.

Und garantiert jedem, der mitarbeiten will, eine Stelle. Gern auf Lebenszeit. In einem Team, das einfach nicht zu schlagen ist. Gemeinsam durch dick und dünn geht. Darum feiern wir ja auch dieses Fest: Das Fest der Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Geist.  Alle Jahre neu.

Und hätten gern, dass dieses Fest nie zu Ende gehen möge, dass alles so bleibt, wie die drei es werden lassen, und wünschen einander:

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Das war übrigens der Predigttext, 2. Korinther 13, 13.
Amen.

Nächster Termin: Sonntag, 29. Juni, 10 Uhr Ritterstraße 94 in Brandenburg; 15 Uhr Dorfkirche Hohenbruch

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2 Antworten zu Das Geheimnis des Triumvirats

  1. KarolaKadau sagt:

    Die Geschichte hat die Dreieinigkeit verständlicher gemacht. DANKE.
    Und Herzliche Glückwünsche zu deinem Geburtstag. Ich wünsche dir Kraft und Geduld für die anstehenden Aufgaben und heute einen schönen Tag mit vielen netten Menschen! Liebe Grüße aus Hohenbruch und Sommerfeld

  2. malte sagt:

    Danke 🙂

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